Fußballfans in Mainz : Die Ultras
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Elf Stunden Zugfahrt für ein 0:2: Die Ultraszene Mainz vor dem Ausscheiden ihres Clubs im DFB-Pokal gegen den Viertligisten Holstein Kiel Bild: Rheinhessen on Tour
Für die einen sind sie brutale Chaoten, die im Stadion nichts verloren haben. Andere halten sie für eine Friedensmacht in den Fanblocks. Was hat es mit dieser Subkultur auf sich? Eine Saison mit der Szene Mainz.
Die Geschichte, die mit Hausdurchsuchungen in der Kaiserslauterer Ultraszene und mit der Einrichtung einer Ermittlungsgruppe vorläufig endet, beginnt am 3. Dezember 2011, an einem kalten Samstag kurz nach sieben Uhr morgens, als A. den Mainzer Hauptbahnhof betritt und ruft: „Hier kommt die hässliche Seite des Fußballs!“ Der Sonderzug für die Fahrt nach Wolfsburg, vom Verein FSV Mainz 05 organisiert und subventioniert, steht schon auf Gleis eins. Natürlich sind auch die Mainzer Ultras da, zu deren erweitertem Umfeld die Polizei etwa 150 bis 200 Leute rechnet, selbst wenn die USM, die Ultraszene Mainz, die an diesem Tag ihr Zehnjähriges feiert, nur 29 Mitglieder hat: drei Frauen, 26 Männer.

Politischer Korrespondent in München.
Der Mainzer Vorsänger, ein Lehrer, der bei jedem Spiel mit Mikro- oder Megafon die Kurve animiert, als wäre es sein letztes Mal, ist einer von ihnen. Wolfsburg sei eigentlich ein „scheiß Ziel“, sagt er. Heißt: ein Neutrum, das im Faltblatt „Blockbildung“, das die Ultras vor jedem Heimspiel an ihrem Stand im Stadion auslegen, unter „VfL Wolfsburg Fußball GmbH“ firmiert. Aber gerade bei solchen Auswärtsfahrten zeigt sich nach Ansicht der Ultras, wer bloß „Modefan“ ist und wer dem Verein auch bis in die Kreisklasse folgen würde.
„Jungs, was für eine geile Show!“
Oder nach Rumänien. Im August spielte Mainz dort gegen ein Team namens Gaz Metan Medias, es ging um die Qualifikation für die Teilnahme an der Europa-League. Viele Ultras, „Ultranahe“ und „Ultraorientierte“ hatten Ferienarbeit oder Überstunden gemacht, um die Reise bezahlen zu können. Natürlich ging man vom Weiterkommen aus. A. etwa, der wegen der Hochzeit seines Bruders nicht dabei war, was in der Szene nicht bei allen auf Verständnis stieß, hatte schon Urlaub für die nächste Runde eingereicht. Und dann das: Aus im Elfmeterschießen. „Da hast du Leute“, sagt der Vorsänger auf der Fahrt nach Wolfsburg, „die für den Verein alles, was sie haben, in die Waagschale werfen - und dann wird so eine Leistung abgeliefert. Natürlich stellst du da die Mannschaft zur Rede.“ Für manchen hieß das: Spieler am Zaun beschimpfen, Spieler am Zaun bespucken. Die Vereinsführung war darüber alles andere als amüsiert. „Wenn die Mannschaft den Fans wirklich so wichtig ist“, sagt Vereinssprecher Tobias Sparwasser, „wie kann man dann so schnell vergessen, was die gleichen Spieler zuvor in einer kaum für möglich gehaltenen Rekordsaison geleistet haben?“
Tatsächlich war das Erreichen der Europa-Quali für viele Ultras ein großes Ding. B., wie A. ein Veteran der Szene, der schon ein mehrjähriges Stadionverbot hinter sich hat, erzählt auf der Wolfsburg-Fahrt, wie sie damals, nach dem entscheidenden Spiel auf Schalke, den Mannschaftsbus am alten Bruchwegstadion mit Bengalos begrüßt haben und wie Nationalspieler Lewis Holtby als Erster ausstieg und zu ihm sagte: „Jungs, was für eine geile Show!“ Die Fotos von damals hat auch der Verein auf Facebook gepostet.