Merz zu Entlastungspaket : „Man hätte mehr tun müssen“
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Geht davon aus, dass sich die Wirtschaft über das dritte Entlastungspaket beschweren wird: CDU-Chef Friedrich Merz am 4. September 2002 beim ARD-Sommerinterview Bild: dpa
Für jene, die knapp oberhalb der Wohngeld-Grenze oder der Sozialhilfesätze lägen, sei das Entlastungspaket der Ampel unzureichend, kritisiert CDU-Chef Merz. Er rechnet auch mit massiven Beschwerden aus der Wirtschaft.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat das dritte Entlastungspaket der Ampel-Koalition als unzureichend kritisiert. Zwar sei es etwa richtig, dass Rentner und Studierende in die Energiepreispauschale einbezogen würden, sagte Merz am Sonntag im Sommerinterview der ARD. Aber ob es wirklich ausreiche auch für diejenigen, die so gerade eben oberhalb der Wohngeld-Grenze und oberhalb der Sozialhilfesätze lägen, das müsse man sehen. „Man hätte mehr tun müssen für diejenigen, die so eben gerade oberhalb der Grenzen liegen“, sagte Merz, der auch Fraktionschef der Union im Bundestag ist.
Er glaube auch, dass sich die deutsche Wirtschaft in den nächsten Tagen massiv beklagen werde darüber, „dass an sie nicht gedacht wird. Und die Wirtschaft, das sind nicht die Großkonzerne, das sind die vielen Hunderttausend kleinen und mittleren Unternehmen, die dieses Land am Laufen halten.“ Diese würden von der Koalition vernachlässigt.
Die Ampelkoalition hatte am Sonntag ein drittes Entlastungspaket vorgestellt, dessen Umfang die Regierung auf etwa 65 Milliarden Euro beziffert. Unter anderem sollen Privathaushalte die Strommenge für einen Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis erhalten. Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Studierende, Berufsfachschülerinnen und -schüler sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Bedürftige sollen mit der für 1. Januar geplanten Weiterentwicklung des heutigen Hartz-IV-Systems zu einem Bürgergeld um 50 Euro höhere Regelsätze erhalten – etwa 500 Euro monatlich.
Merz betonte, dass Deutschland allein in diesem Jahr 50 Milliarden Euro mehr bei der Mehrwertsteuer einnehme. Hinzu kämen Mehreinnahmen von 10 bis 15 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer. „Also die Bundesregierung kompensiert mal gerade das, was sie an höheren Steuereinnahmen in der Krise, teilweise sogar durch die Krise, zu verzeichnen hat.“
Zuvor hatte bereits Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) Kritik an dem Paket geübt. „Das ist mehr ein Arbeitsprogramm für die Regierung als ein sofort wirkendes Entlastungspaket für die Bürger“, sagte er dem Nachrichtenportal T-Online. Bei vielen wichtigen Punkten gebe es neben Überschriften nichts Konkretes – und bei dem laut Spahn größten Problem, dem Gaspreis, gebe es eine Leerstelle: „Hier werden die Menschen mit einer Kommission vertröstet.“
Hier können Sie die Beschlüsse der Ampelkoalition nachlesen (PDF-Datei des Abschlussdokuments).
Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, bezeichnete das Paket als „vielfach enttäuschend“. Deutschland sei damit nicht gut gerüstet für den Winter, sagte Bartsch dem Nachrichtenportal. „Die Pläne werden die Verarmungslawine, die im Winter über Deutschland rollen könnte, nicht verhindern.“
AfD-Parteichef Tino Chrupalla kritisierte die geplanten Maßnahmen laut einer Mitteilung als „kostspielige Symptombekämpfung“. Alle Entlastungsmaßnahmen seien nur kurzfristige Lösungen, solange die Ursachen der Preisexplosion nicht angegangen würden. „Statt staatlicher Umverteilung und planwirtschaftlichen Eingriffen braucht es gezielte Entlastung bei den Verbrauchssteuern auf Lebensmittel und Energie sowie die Abschaffung der CO2-Abgabe.“
Niedersächsische Linke: „Schlechter Witz“
Die Spitzenkandidatin der Linken für die Landtagswahl in Niedersachsen im Oktober, Jessica Kaußen, bewertete das geplante neue Entlastungspaket der Bundesregierung als halbherzige Lösung. „Es ist keine ausreichende Antwort auf die dramatische Situation, in die viele Menschen angesichts von Teuerungen und Inflation in den nächsten Wochen und Monaten kommen werden“, sagte Kaußen.
„Der angekündigte Preis für ein neues Nahverkehrsticket ist deutlich zu hoch und die Verhandlungen über die Kofinanzierung durch die Länder wird viel zu lange dauern, um schnell ein ordentliches Angebot zu haben.“ Auch die angekündigten Einmalzahlungen und Erhöhungen von Leistungen seien angesichts der explodierenden Preise „ein schlechter Witz“, sagte sie.
„Kraftvolles Bollwerk gegen Kriegsauswirkungen“
Lob kam von der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD). Sie nannte das neue Entlastungspaket ein „kraftvolles Bollwerk gegen die dramatischen Kriegsauswirkungen“ in Deutschland. Die Bundesregierung habe die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger verstanden, sagte Rehlinger. Sie kündigte an, mit dem Bund über ein attraktives Nahverkehrsticket als Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket zu verhandeln. Das Angebot dürfe aber nicht zur Folge haben, dass die Länder am Angebot sparen müssten.