Freihandelsabkommen : Die SPD beerdigt TTIP
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Sigmar Gabriel war schon mal begeisterter von TTIP. Bild: dpa
Sigmar Gabriel war einmal ein Verfechter des geplanten Freihandelsabkommens mit Amerika. Vor der nächsten TTIP-Verhandlungsrunde malt er nun schwarz - und das liegt an seiner eigenen Partei.
Erst kürzlich hat Sigmar Gabriel über David Cameron Hohn und Spott verbreitet. Einen „Schnösel“ nannte er ihn und seine Tory-Freunde. Die hätten in der Brexit-Frage erst gefeilscht und dann versagt. Dabei müsste dem SPD-Vorsitzenden doch vertraut sein, wie es ist, dem populistischen Druck erst von außerhalb der eigenen Partei, dann von innen nachzugeben und damit eine Dynamik loszutreten, die nicht mehr zu kontrollieren ist.
So wie es Cameron beim Brexit ergangen ist, ergeht es Gabriel nun bei TTIP. Die SPD beerdigt gerade das transatlantische Freihandelsabkommen - ein Abkommen um das Gabriel einst gekämpft hat.
Am Dienstagabend hatten Achim Post, der einflussreiche Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, und Norbert Römer, der Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag, zum Gespräch geladen - genau genommen zum Hintergrundgespräch. Eine Sache wollten beide dann aber doch in der Zeitung lesen:
„Aus meiner Sicht ist TTIP tot, das kommt weder vor noch nach der Bundestagswahl“, sagte Post. Und Römer ergänzte: „Das ist für die nordrhein-westfälische SPD ein totes Pferd.“ Die Abgeordneten von Rhein und Ruhr stellen mehr als ein Viertel der Fraktion - und in diesem Fall sprechen sie für die Mehrheit der SPD: Römer ist (inzwischen) ein enger Vertrauter Hannelore Krafts, der nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden, und ein alter SPD-Rechter mit Gewerkschafts-Stallgeruch. Auch Post ist als „Seeheimer“ nicht verdächtig, ein linksradikaler Träumer zu sein.
Kein Abkommen mit Schiedsgerichten?
Im Grunde setzen sie einen Schlusspunkt unter eine Entwicklung, die sich schon lange abgezeichnet hatte. Erst kürzlich hatte Gabriel die Bundeskanzlerin dafür kritisiert, dass sie „im Überschwang vor dem Obama-Besuch in Deutschland“ gesagt habe, man könne die Verhandlungen zwischen Amerika und der EU „in jedem Fall in diesem Jahr abschließen“.
Der Vizekanzler ergänzte: Er werde niemals dem Abkommen zustimmen, wenn es bei den intransparenten privaten Schiedsgerichten bleibe und es nicht mindestens den Standards entspreche, die gerade mit Kanada verabredet worden seien.
Am Mittwoch eilte der Wirtschaftsminister zurück in sein Ministerium, schlüpfte vom Freizeitdress in den Anzug. Grund für die kurzfristig einberufene Pressekonferenz war freilich die Eilentscheidung gegen die Ministererlaubnis zur Edeka-Tengelmann-Fusion. Auf die Äußerungen seiner nordrhein-westfälischen Genossen angesprochen, reagierte er abgeklärt:
Angebliche Blockadehaltung der Amerikaner
Er habe schon seit Wochen den Eindruck, dass es bei den Amerikanern keine Bewegung gebe. Die Verhandlungen kämen nicht voran. Und: „Wenn sie nicht vorankommen, dann, finde ich, muss man es irgendwann auch mal offen sagen“. Er schlage vor, mit einer „endgültigen Bewertung warten wir mal diese Woche ab“, sagte er mit Blick auf die 14. Verhandlungsrunde, die am Montag angelaufen war.
Gabriel bereitet so das Ende von TTIP vor - und verweist dabei auf die angebliche Blockadehaltung der Amerikaner. Dabei, so ist zu hören, gehe es nicht nur um die Schiedsgerichte (diese politische Frage ließe sich am Ende klären), sondern um Fragen wie den Marktzugang bei öffentlichen Ausschreibungen, bei denen Washington dicht mache.
Nun mögen die Amerikaner sicherlich harte Verhandler sein. Doch fehlt in Gabriels Version ein wichtiger Aspekt: Das Abkommen war für große Teile seiner Partei von Beginn an Teufelszeug. Der SPD-Vorsitzende selbst war im Europawahlkampf 2014 überrascht worden von der Wucht des Widerstandes.
„Eine politische Kapitulation“
Er musste reagieren und zog rote Linien. Was er nicht bedachte: Mit seiner Rhetorik trieb er die Leute noch weiter auf die Bäume. Angeschlagen wie er als Parteivorsitzender inzwischen ist, fehlt es ihm an Führungsstärke, sie wieder herunter zu bekommen. Inzwischen wird in der SPD auffälligerweise unterschieden zwischen dem „guten“ Ceta-Abkommen mit Kanada unter dem „progressiven“ Premier Justin Trudeau und dem „toxischen“ TTIP-Abkommen.
Beim Koalitionspartner war man frühzeitig skeptisch. Der Zeitplan für TTIP reiche ins Jahr der Bundestagswahl, hieß es in der Union. Das werde Gabriel in der SPD nicht durchbekommen. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, verwies am Mittwoch auf die Dimension einer solchen Entscheidung Gabriels:
„Ungeachtet aller schwierigen Einzelfragen bleibt TTIP die Frage danach, ob die Globalisierung westliche oder chinesische Regeln bekommt“, sagte er dieser Zeitung. „TTIP für tot zu erklären, bedeutet darum nichts anderes als die politische Kapitulation, die Globalisierung nach westlichen Vorstellungen gestalten zu wollen. Wer das aus reinen wahltaktischen Gründen erklärt, zeigt an, keine Kraft mehr für die Anstrengungen des Regierens zu haben.“