Corona-Lockerungen erwartet : Beschließen Bund und Länder heute den deutschen „Freedom Day“?
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Der Satz bleib nicht unwidersprochen. Es könne nicht sein, dass Lauterbach tiefgreifende Entscheidungen wie die Dauer des Genesenenstatus in Zukunft allein treffen wolle, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), am Mittwoch im Deutschlandfunk. Diese Kompetenz sollte beim Bundesrat liegen. Die Regierung habe durch ihr Handeln Chaos angerichtet. Sepp Müller, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion um Bundestag, sagte: „Der Schlingerkurs von Karl Lauterbach setzt sich in rasantem Tempo fort.“ Vor einem Monat sei die Verantwortung für die Dauer des Genesenenstatus auf das RKI übertragen worden, nun ändere der Minister dies wieder. „Aber nicht das RKI, sondern das Versäumnis des Gesundheitsministers, die Menschen in unserem Land rechtzeitig zu informieren, war das Problem. Deren Freiheiten wurden über Nacht beschnitten, ohne dass sie sich zuvor darauf einstellen konnten“, kritisierte Müller.
Der Entwurf kommt nicht von ungefähr. Am Wochenende hatte der Corona-Expertenrat der Bundesregierung einstimmig konkrete Bedingungen für mögliche Lockerungen der gegenwärtigen Einschränkungen genannt. „Ein Zurückfahren staatlicher Infektionsschutzmaßnahmen erscheint sinnvoll, sobald ein stabiler Abfall der Hospitalisierung und Intensivneuaufnahmen und -belegung zu verzeichnen ist“, schrieb das Gremium. Wie viele Tage in folge und um jeweils welchen Anteil die Kennzahlen fallen müssen, damit von einem „stabilen Abfall“ gesprochen werden kann, präzisierte der Expertenrat allerdings nicht. Gleichwohl: Sollte ein solches Szenario eintreten, sei eine „besonnene Rücknahme einzelner Infektionsschutzmaßnahmen in den kommenden Wochen“ denkbar. Allerdings warnten die Fachleute Bund und Länder vor überstürztem Handeln. Ein zu frühes Öffnen berge die Gefahr eines abermaligen Anstieges der Krankheitslast.
Bis Dienstagabend waren die Bedingungen der Wissenschaftler für mögliche Lockerungen allerdings nicht erfüllt. Nach Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) steigt die Zahl der infizierten Patienten auf den Intensivstationen der Krankenhäuser sogar kontinuierlich an, anstatt zurückzugehen. Seit Anfang des Monats kletterte die Zahl der Patienten von 2280 auf 2450, zuletzt kamen binnen eines Tages – also von Montag auf Dienstag – 18 Schwerkranke hinzu.
Und auch bei der sogenannten Hospitalisierungsinzidenz lässt sich kein Trend ausmachen, den man guten Gewissens als „stabilen Abfall“ der Zahlen bezeichnen könnte. Der Indikator gibt die Zahl der mit Corona infizierte Krankenhauspatienten wieder, heruntergerechnet auf 100.000 Einwohner und bezogen auf eine Woche. Am Dienstag lag die Inzidenz bei 5,9 bundesweit – nur unwesentlich weniger als am Montag. Zuvor war die Zahl ein paar Tage hintereinander zurückgegangen, allerdings folge der Sinkflug einem konstanten Anstieg der Zahlen, der Mitte Februar begann – die Hospitalisierungsinzidenz veränderte sich zuletzt also mehrfach, in Richtung Entspannung wiesen die Werte nicht durchgehend.
Einzelne Bundesländer hat das nicht davon abgehalten, bereits vor der Ministerpräsidentenkonferenz eigene Regelungen zu treffen. In Bayern hat das Kabinett am Dienstag beschlossen, dass Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene bereits von Donnerstag an komplett entfallen. Geimpfte und Genesene brauchen im Freistaat dann auch nirgendwo mehr einen zusätzlichen Test. Und zu einigen weiteren Bereichen des öffentlichen Lebens, etwa Hochschulen und Museen, haben Ungeimpfte auch wieder Zugang, wenn sie einen aktuellen negativen Test vorlegen. „Wir können heute feststellen, dass der Höhepunkt wohl von Corona erreicht ist“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Anders als dem Expertenrat der Bundesregierung reichen Söder stabile Krankenhaus-Zahlen, um frühzeitige Öffnungen zu begründen.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat das Kabinett vor der Bund-Länder-Runde bereits Fakten geschaffen: Die Maskenpflicht im Unterricht soll zum 7. März fallen. In Hamburg soll die coronabedingte Sperrstunde in der Gastronomie zum Wochenende beendet werden. Zudem will der rot-grüne Senat die Kontaktbeschränkungen lockern.