Frankfurter Banker : Verschwendet nicht Eure Tugend!
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Im „Euro Deli“, Stunden vor dem nächsten „Call“ Bild: Hannes Jung
Banker genießen inzwischen einen zweifelhaften Ruf - manche nicht zu Unrecht. Der typische Aktienhändler sei männlich, jung und maßlos, heißt es. Einen haben wir durch Frankfurt begleitet.
Heute findet das „Abstürzen“ ohne Andreas Mertens statt. Es ist weit nach Mitternacht, der Investmentbanker, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, steht mit einem Glas Gin Tonic in der Hand in der Frankfurter „Vodka Bar“, die in der Szene einschlägig bekannt ist. Mertens verzichtet dieses Mal darauf, sich hemmungslos gehenzulassen, er muss in fünf Stunden wieder aufstehen. „Wichtiger Call“, sagt er, trinkt das Glas auf einen Zug aus und schiebt sich durch die Masse Richtung Ausgang. Der Aktienhändler trägt ein blau-weiß gestreiftes Hemd, rote Hosenträger, eine Rolex-Uhr, die Haare nach hinten gegelt: ein schwankendes Klischee.
Vor allem Banker wie Mertens haben den Zorn des Volkes und der Politik auf sich gezogen, weil sie, so der Vorwurf, mit Hilfe von fremdem Geld erst riesige Gewinne und Boni einstrichen, Verluste aber den Steuerzahlern überließen. Zu der Kritik an diesem Geschäftsgebaren kommt die Empörung über den angeblichen Lebensstil der Banker. „Sie sind arrogant, besessen vom schnellen Geld, gierig“, schreibt Geraint Anderson, ehemaliger Investmentbanker in London, in seinem Bestseller „Cityboy“. Der typische Banker sei männlich, jung und maßlos. „Alkoholexzesse und Prostituierte gehören zum Alltag.“
Viele Variablen für Erfolg und Macht
Auch in Frankfurt? Bedingt. Die Szene der Banker dort ist so differenziert wie ihre Produkte - ihr Lebensstil definiert sich aus dem, was sie tun. Viele Banker arbeiten im Privatkundengeschäft in einer Filiale. Manche vermitteln Firmen Kredite. Es gibt Bankiers, die Vermögen verwalten. Und Banker, die im risikoreicheren Kapitalmarktgeschäft agieren. Manche arbeiten bei prestigeträchtigen Großbanken, andere bei soliden Sparkassen, wieder andere bei ehemals aufstrebenden Landesbanken oder bei feinen Privatbanken. Weitere Variablen: die Höhe des Verdiensts als Gradmesser des persönlichen Erfolgs und die Höhe der Budgetverantwortung als Gradmesser für Macht.
Andreas Mertens hat im vergangenen Jahr 200.000 Euro plus 140.000 Euro Bonus verdient. Für den Durchschnitt der Bevölkerung viel Geld, für einen 31 Jahre alten Investmentbanker „ganz gut“, wie er sagt, für ihn persönlich „sehr viel Geld“. Mertens hat sich hochgearbeitet. Die Mutter war Frisörin, der Vater Bankangestellter bei einer Dorf-Sparkasse. Irgendwann bei einer „Spaßkasse“, wie er es nennt, zu landen kam für ihn nie in Frage. „Zu spießig“, sagt er. Zehn Stunden nach seinem Abgang aus der „Vodka Bar“ sitzt er in der Apfelweinkneipe „Mutter Ernst“ in der Nähe der vornehmen Goethestraße und bestellt Spiegelei und Leberkäse als Mittagessen. Ein Hinweis auf seine Herkunft ist das nicht - neben ihm sitzen Herren mit Einstecktuch und Siegelring. Ein Bankertreff. Mertens steht unter Strom. „Work hard, play hard“, sagt er. Sein Vater hätte wohl noch gesagt: „Wer feiern kann, kann auch aufstehen.“
Druck ablassen in der Freizeit
Mertens hat zuvor in London bei einer britischen Bank gearbeitet, seit zwei Jahren sitzt er nun in deren Frankfurter Büro. Sein Job: den ganzen Tag Kurse von Wertpapieren beobachten. Kaufen und verkaufen. In Sekunden handelt er mit Millionen. „Warum wir Investmentbanker so exzessiv feiern, liegt schon daran, dass wir während der Arbeit stark unter Druck stehen und dann, wenn wir mal paar Stunden frei haben, diesen wieder ablassen“, sagt Mertens. „Das nötige Kleingeld dafür haben wir.“ In London seien die Partys manchmal so wild gewesen, dass es Getränke nur in Plastikbechern gab, erzählt er. Zu oft seien Gläser durch die Gegend geflogen.