Filbinger-Tochter im Gespräch : „Ich habe ihm vergeben“
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Familie Filbinger im Jahr 1966. Tochter Susanna ist zwischen Mutter und Vater zu sehen Bild: DIETER RUECHEL
Hans Filbingers Tochter Susanna hat die Tagebücher des Vaters gelesen. Sie spricht über sein Verhältnis zum Nationalsozialismus, eine strenge Erziehung. Und über seine Rolle als Vater.
Sie haben Ihren Mädchennamen immer behalten, Frau Filbinger-Riggert. Warum?
Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, den Namen Filbinger abzulegen. Ich stehe zu diesem Namen, auch wenn es manchmal mehr Nach- als Vorteile bedeutet hat, ihn zu tragen. Ich bin eben die Filbinger.
Wie sehr hat der Name Ihres Vaters, Hans Filbinger, Ihr Leben geprägt?
Sehr. Von Jugend an. Das war einer der Gründe, aus denen ich ins angelsächsische Ausland gegangen bin. Da wird man beim Vornamen genannt. Da war ich die Susanna.
Sie bezeichnen sich in Ihrem Buch trotzdem als „Vater-Tochter“.
Mein Vater hatte viele negative, aber eben auch viele positive Eigenschaften. Letztere habe ich geschätzt, habe sie mir zum Teil abgeguckt. Dadurch entstand ein Verhältnis zum Vater, das deutlich enger als das zur Mutter war.
Ihr Vater hat Ihnen das Leben nicht leichtgemacht. Er hat Sie ins Internat geschickt, Ihnen verboten, mit Ihrer ersten großen Liebe zusammenzubleiben, und sich in Ihre Berufswahl eingemischt.
Er war streng, teilweise sogar hart. Aber er konnte auch gütig sein. Und Strenge bedeutet ja Stärke und Geradlinigkeit. Das ist nichts Schlechtes und kann für Kinder manchmal besser sein als zu viel Milde. Dennoch fanden wir Geschwister manches ganz fürchterlich. Wenn Vater am Sonntag in seinem Büro unsere Kenntnisse etwa in Geographie abfragte und es bei einer falschen Antwort eine Kopfnuss gab, war das schrecklich für uns. Davor hatten wir Angst.
Sie wurden in den sechziger Jahren groß. Wollten Sie so sein wie die Achtundsechziger, die rebellierten, gegen die Eltern aufstanden?
Das Politische an den Achtundsechzigern hat mich nicht angezogen. Ich hatte den Eindruck, dass mein Vater eine gute Politik als Ministerpräsident von Baden-Württemberg machte und dafür mit sehr guten Wahlergebnissen reich belohnt wurde. Aber das Rebellische hat mich angezogen. Da habe ich ja auch manches nachgeahmt.
Und dabei nicht den Kontakt zur Familie verloren?
Nein, auch wenn das nicht immer leicht war. Mein Vater war als Minister und Ministerpräsident sehr eingespannt und hat die Beziehung zu seinen Kindern wenig gepflegt. Selbst in seinen Tagebüchern, die ich nach seinem Tod gefunden habe, kamen wir kaum vor, solange er im Amt war. In der Zeit nach dem Rücktritt hat er viel über seine Kinder geschrieben.
Ab wann nahmen Sie Ihren Vater als politischen Menschen wahr?
Als Kinder mussten wir beim Wahlkampf mithelfen, Plakate kleben, an Türen klingeln. Das war noch keine wirkliche Auseinandersetzung mit der Politik. In den Jahren, in denen man anfängt, politisch zu denken, als reiferer Jugendlicher, war ich im Internat. Erst Anfang der Siebziger, als junge Erwachsene, habe ich ernsthaft politisch mit ihm diskutiert.
Nahm er Ihre Meinung ernst?
Das Gefühl gab er uns. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass er uns die Begnadigungsfälle geschildert hat, die ihm als Ministerpräsidenten vorgelegt wurden. Ohne die Namen zu nennen, wollte er wissen, ob wir denjenigen früher aus der Haft entlassen würden oder nicht.
Wann und wie erreichte das Thema Terrorismus Ihre Familie?
Mit der Entführung von Peter Lorenz. Da gab es zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für die Familie, auch für uns Kinder. Mit voller Wucht erreichte meinen Vater und uns die Debatte mit dem Tod von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in Stuttgart-Stammheim 1977.
Hatten Sie jemals Verständnis für das, was die RAF getan hat?
Nein. Das habe ich als Bedrohung empfunden. Ein Onkel von mir war RAF-Anwalt. Das wurde bei uns zu Hause als sehr negativ gesehen. Auch von mir.