Vorfall in Essen : Festnahme nach Schüssen auf ehemaliges Rabbinerhaus
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Polizisten untersuchen in der vergangenen Woche die Einschusslöcher in Essen. Bild: dpa
Der Angriff in Essen könnte mit einer weiteren Tat in Bochum zusammenhängen. Die Sicherheitsbehörden halten eine staatliche Einflussnahme durch Iran für möglich.
Nach den Schüssen auf das ehemalige Rabbinerhaus der Alten Synagoge in Essen in der Nacht vom 17. auf den 18. November ist ein Mann festgenommen worden. Das teilte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) am Freitag im Landtag mit. Die Ermittler gingen zudem noch zwei weiteren „Sachverhalten“ im Ruhrgebiet nach, die in einem „engen zeitlichen Zusammenhang“ mit der Attacke auf das Essener Rabbinerhaus stehen und diese in einem „anderen Licht erscheinen lassen“ könnten. „Einen mutmaßlichen Täter haben wir aus dem Verkehr gezogen“, sagte Reul. „Ob dahinter eine ganze Gruppe steht, können wir zurzeit nicht sagen.“
Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen 35 Jahre alten Mann, der sowohl die iranische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Er soll am späten Abend des 17. November einen Molotowcocktail an die Fassade der unmittelbar an die Bochumer Synagoge grenzenden Hildegardis-Schule geworfen haben.*
Zuvor soll der Deutsch-Iraner versucht haben, einen weiteren Mittäter für einen Brandanschlag auf die Synagoge in Dortmund zu gewinnen. Diese Person soll das aber abgelehnt haben und zur Polizei gegangen sein, weshalb der Deutsch-Iraner bereits kurz nach dem Anschlag in Bochum festgenommen werden konnte. In den Fällen Bochum und Dortmund schließen die Sicherheitsbehörden nach Informationen der F.A.Z. eine staatliche Einflussnahme durch Iran nicht aus.
Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ist die zentrale Frage bisher nicht geklärt, ob der Deutsch-Iraner auch etwas mit den Schüssen in Essen zu tun hat oder ob der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem Vorfall in Bochum nur Zufall ist. In der Nacht auf Freitag vergangener Woche waren in Essen auf die Tür des früherem Rabbinerhauses mindestens vier Schüsse abgegeben worden. Die Alte Synagoge gehört der Stadt, dient als Kulturzentrum und wird von der jüdischen Gemeinde nicht mehr für Gottesdienste genutzt.
Im Innenausschusses sagte Reul, Polizei und Staatsanwaltschaft müssten noch viele Puzzlestücke zusammensetzen. Entsprechend ermittle nicht nur das Polizeipräsidium Essen, auch die Polizei in Dortmund und das Landeskriminalamt seien eingebunden. Der Generalbundesanwalt werde ständig über den aktuellen Ermittlungsstand auf dem Laufenden gehalten.
Sowohl die Polizei in Essen als auch in Dortmund hätten eine sogenannte Besondere Aufbauorganisation eingerichtet und weit über 100 Polizeibeamte eingesetzt. „Es wurden alle kriminalistisch notwendigen Maßnahmen getroffen, um schnell Klarheit in die Sachverhalte zu bringen. Also: Spurensicherung, Experten, das große Besteck.“
Reul wies darauf hin, dass der Antisemitismus in allen Formen des Extremismus in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sei und über Verschwörungsnarrative auch in die Mitte der Gesellschaft getragen werde. „Wir haben es nicht selten auch mit einem islamistisch geprägten Antisemitismus zu tun“, sagte Reul.
„Momentan ist es zum Teil noch so, dass antisemitische Straftaten, wenn keine Motivation von rechts, links, ausländischer oder religiöser Ideologie bei Tätern erkennbar ist, automatisch dem Bereich Rechts zugeordnet werden.“ Deshalb setze er sich dafür ein, antisemitische Taten, bei denen zunächst keine Motivation erkennbar ist, künftig als „nicht zuzuordnen“ aufzuführen.
* In einer früheren Version dieses Textes hatten wir den Tatverdacht falsch angegeben. Der Deutsch-Iraner soll selbst den Molotowcocktail geworfen haben.