Nicht mehr nur Opfer sein
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Mitglieder der jüdischen Gemeinde Schwerin schmücken im September 2021 eine Laubhütte mit Früchten und Zweigen anlässlich des Laubhüttenfestes „Sukkot“. Bild: ZB
Jüdisches Leben in Deutschland lässt sich nicht auf Holocaust, Israel und Antisemitismus reduzieren: Das sollte das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ zeigen. Heute geht es zu Ende. Hat es sein Ziel erreicht?
Eine Fußbodenheizung aus dem Mittelalter kann Mut machen. Jedenfalls ist das bei Andrei Kovacs so, wenn er vor dem Kölner Rathaus einige Meter unter die Erde steigt. Auf dem archäologischen Ausgrabungsgelände im Herzen der Stadt ist eine historische Momentaufnahme konserviert, die es in dieser Größenordnung kein zweites Mal in Deutschland zu besichtigen gibt: jüdisches Alltagsleben im Mittelalter – jenseits von Pogromen. In jahrelanger Kleinarbeit hat ein internationales Archäologenteam das jüdische Viertel der Stadt freigelegt: Hier kann man nicht nur sehen, wo Juden im 11. und 12. Jahrhundert gebetet haben, sondern auch wo sie Hochzeiten gefeiert, Gäste beherbergt und Kranke versorgt haben. Und wie sie gewohnt haben. Neben den Überresten einer Synagoge sind etwa die Mauerwerke eines Gemeindehauses, eines Hospitals und mehrere Häuser wohlhabender jüdischer Bürger erhalten – auch eine Fußbodenheizung.
Kovacs, der mit Warnweste und Schutzhelm auf dem Ausgrabungsgelände steht, ist kein Archäologe. Aber auch er will jüdisches Alltagsleben sichtbarer machen, jedoch das von heute. Der 48 Jahre alte Jude ist Leitender Geschäftsführer des Vereins „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Damit gehört er zu den Hauptorganisatoren einer Initiative, die es hierzulande in dieser Form noch nie gegeben hat: eines „Festjahres“, in dem jüdisches Leben in Deutschland in seiner ganzen Bandbreite präsentiert werden sollte: „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Sein Verein hat das Festjahr, das am Sonntag endet, deutschlandweit koordiniert.
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