Fall Anis Amri : Politikmögliche Konsequenzen
- -Aktualisiert am
Der mutmaßliche Terrorist Anis Amri auf einem Fahndungsfoto Bild: AP
Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Wochen viel über Behördenversagen geredet werden wird. Doch stattdessen sollte lieber darüber nachgedacht werden, welche Schlüsse aus dem Fall Amri zu ziehen sind.
Für die Sicherheitsbehörden war es Glück im Unglück, dass der dringend tatverdächtige Anis Amri in Mailand in eine Routinekontrolle der italienischen Polizei geriet. So wie er schon Monate zuvor durch Deutschland und Europa reisen konnte, wie er wollte, so hatte er das offenbar auch nach dem Anschlag am Montagabend getan. Noch im Tod erinnerte der mutmaßliche Terrorist daran, dass ihm die europäische und deutsche Sicherheitsarchitektur, die doch angeblich längst auf die Terrorbekämpfung eingestellt ist, nicht viel anhaben konnte und auf Zufälle vertrauen muss. In die Erleichterung mischt sich deshalb berechtigte Sorge darüber, dass wieder einmal nur halbherzige Konsequenzen gezogen werden könnten.
Das beginnt schon im Ansatz, wenn gar nicht erst Zusammenhänge hergestellt werden dürfen, die auf der Hand liegen. Nach diesem Anschlag ist der Zusammenhang von Asylrecht und den geradezu absurden Möglichkeiten, die sich Kriminellen bieten, nicht mehr zu leugnen. Das tun nur noch diejenigen, die das Asylrecht als Fetisch behandeln. Gleich mehrere, längst bekannte Missstände stehen im Fall Anis Amri im Vordergrund: Wer ohne Pass ins Land kommen will, zumal aus einem Land, das längst als sicherer Herkunftsstaat geführt werden sollte, der kann nicht behandelt werden, als habe er einen Anspruch darauf. Es kann außerdem nicht im Interesse der Sicherheit des Landes sein, dass jemand, der von Polizei und Verfassungsschutz aus Personalmangel nicht ständig beobachtet werden kann, keinerlei Residenz- oder Meldepflicht unterliegt. Schließlich: Ein Gefährder, der nur geduldet ist, weil er nicht abgeschoben werden kann, sollte wenigstens in Abschiebehaft genommen werden können, und zwar nicht nur für ein paar Tage. Dazu liegt seit Wochen ein Gesetzentwurf vor.
Es ist zu fürchten, dass in den kommenden Wochen stattdessen gerne über Behördenversagen geredet wird. Vieles spricht aber dafür, dass sich die Behörden nur an das gehalten haben, was ihnen die Politik vorgibt. Dort ist viel zu lange an einer Willkommenskultur festgehalten worden, die alles ausblendet, was nicht ins harmonische und selbstverliebte Bild passt – zum Beispiel ein Kontrollverlust, der sich ganz offenbar vielseitig ausnutzen lässt. Das zu ändern, dazu ist nicht einmal „alles Menschenmögliche“ nötig, das Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag versprach. Es reicht schon alles Politikmögliche.