Auf dem Höhepunkt des Argwohns
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Die Europäische Zentralbank in Frankfurt Bild: dpa
Das Verhältnis zwischen Karlsruhe und dem Europäischen Gerichtshof ist schon lange angespannt – mit dem EZB-Urteil erreicht der Konflikt eine neue Dimension.
Die Konfrontation kam nicht zum günstigsten Zeitpunkt, das war dem scheidenden Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, nicht entgangen. „Irritierend“ könnte das Grundsatzurteil zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) in dieser krisengeschüttelten Zeit wirken, das machte er gleich zu Beginn der Urteilsverkündung am Dienstag deutlich. Schließlich steckt die Europäische Union gerade in einer tiefen Krise, sie ist geradezu überwältigt von den dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Da weiß auch Voßkuhle: „Das vorliegende Urteil ist keine einfache Kost.“ Allerdings, so schob er schnell hinterher, sei es auch nicht wirklich überraschend. „Kenner der Materie“ dürften schon damit gerechnet haben, schließlich sei dies nun der vorläufige Endpunkt einer längeren und absehbaren Entwicklung in der Auseinandersetzung zwischen Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Mag sein, dass es in Wahrheit nicht viele „Kenner der Materie“ gibt, vielleicht hatten sie auch nur die Augen verschlossen. Jedenfalls war die Verblüffung doch groß, als das Bundesverfassungsgericht am Dienstagmorgen – dank Corona in ausgedünnter Besetzung – sein historisches Urteil sprach, das Ökonomen und Juristen gleichermaßen noch einige Jahre beschäftigen wird. Schließlich haben die Karlsruher Richter ihren Luxemburger Kollegen zum ersten Mal die Gefolgschaft verweigert. Auf rund 140 Seiten haben sie ihnen zudem deutlich die Leviten gelesen. Etwas hilflos wirkte der Hinweis der Europäischen Kommission nach Verkündung des Urteils, wonach Entscheidungen des EuGH zu befolgen seien, und zwar von jedem Mitgliedstaat. Bundesbank und EZB, durch die Entscheidung gleichermaßen düpiert, kündigten an, das Urteil erst einmal zu prüfen, etwas anderes kann man an so einem Tag allerdings auch kaum sagen.
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