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Evangelische Kirche : EKD will missionarischer werden

Die „spürbare Reformmüdigkeit“ steht im Gegensatz zur „wachsenden Reformnotwendigkeit“, sagt Nikolaus Schneider

Die „spürbare Reformmüdigkeit“ steht im Gegensatz zur „wachsenden Reformnotwendigkeit“, sagt Nikolaus Schneider Bild: dapd

Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider ruft die Kirche zur Reform auf: Ein „offenes und missionarisches Haus“ müsse sie werden, auch in der Ökumene.

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          Der Ratsvorsitzende der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat vor einem Nachlassen bei der Kirchenreform gewarnt, die sein Vorvorgänger Wolfgang Huber begonnen hatte. Zum Auftakt der EKD-Synode in Magdeburg sagte Schneider am Sonntag, die „spürbare Reformmüdigkeit“ stehe im Gegensatz zur „wachsenden Reformnotwendigkeit“. Die demografische Entwicklung und abnehmende Kirchenbindung stellten die evangelische Kirche „zwingend“ vor die Aufgabe, nachhaltig lebbare Strukturen anzustreben. „Wir wollen und sollen als Kirche nicht in die Gefahr geraten, auf Dauer über unsere Verhältnisse zu leben“, sagte Schneider.

          Reinhard Bingener
          Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.

          Bei der diesjährigen Synodentagung will sich die EKD unter dem Motto „Was hindert’s, dass ich Christ werde?“ dem Thema Mission widmen. Schneider sagte, die Bindung an Jesus Christus befreie von Selbstrechtfertigung, Selbstvergötzung, aber auch von Selbstverachtung. Das müsse die Kirche auf für Außenstehende deutlich machen. Sie müsse zu einem „offenen und missionarischen Haus“ werden. Obwohl das Wort Mission durch manche geschichtliche Erfahrung belastet sei, so sei es doch für die evangelische Kirche unverzichtbar. „Wir müssen es so verwenden, dass die negativen Konnotationen bei den Menschen nicht im Vordergrund stehen“, sagte Schneider.

          „Nichts schönreden, was nicht schön war“

          Die Synodalen ziehen auf der Tagung zudem eine Bilanz des Deutschlandbesuchs des Papstes im September. Schneider forderte wie andere leitende Geistliche zu einem Festhalten an der Ökumene auf. Man dürfe den Schritt Benedikts in Erfurt, als erster Papst überhaupt an einer Lutherstätte einen ökumenischen Gottesdienst zu feiern, nicht geringschätzen. Schneider sagte, man dürfe aber auch „nichts schönreden, was nicht schön war“. Das gelte erstens für Benedikts Äußerungen, dass er den Protestanten kein „Gastgeschenk“ mitbringen könne, und zweitens für seine Äußerung, dass man den Glauben nicht aushandeln dürfe.

          Schneider sagte, konfessionsverschiedene Eheleute benötigten in der Frage des gemeinsamen Abendmahls keine „Gastgeschenke“, sondern erwarteten schlicht einen gemeinsamen Raum für ihren Glauben. Auch die Vorstellung, die evangelische Kirche wolle den Glauben aushandeln, sei „völlig unangemessen“ und entspreche nicht ihrem Selbstverständnis.

          „Ökumene der Gaben entwickeln“

          Schneider forderte die Christen dazu auf, die „Ökumene der Profile“, die Wolfgang Huber vertreten hatte, zu einer „Ökumene der Gaben fortzuentwickeln“, in der Unterschiede als Ergänzungen und nicht als Abgrenzungen verstanden würden. Eine Profilökumene berge für die EKD die Gefahr, im Gegenüber zu den Katholiken nach dem Motto zu verfahren: „Wir haben Probleme - aber die anderen haben noch ganz andere Probleme.“ Der Braunschweiger Landesbischof und lutherische Catholica-Beauftragte Friedrich Weber sagte, beim Kontaktgesprächskreis der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz vor wenigen Tagen sei deutlich geworden, dass das ökumenische Miteinander durch den Papstbesuch „eher gekräftigt als gestört“ sei.

          „Da ist nichts an irgendeiner Stelle beschädigt“, sagte Weber. Er forderte die evangelische Kirche auf, nicht ständig ein Entgegenkommen der Katholiken in der Frage des gemeinsamen Abendmahls konfessionsverschiedener Eheleute zu fordern. Man solle stattdessen künftig selbstbewusster darauf verweisen, dass in der evangelischen Kirche das Abendmahl in vollgültiger Weise gefeiert werde und auch katholische Christen daran teilnehmen könnten. Auch der nordelbische Bischof Gerhard Ulrich forderte die evangelische Kirche zu mehr Selbstbewusstsein auf; im ökumenischen Dialog gehe es nicht darum, von anderen anerkannt zu werden.

          Lohnverhandlungen ohne Streik

          Ein wichtiges Thema der Synodentagung ist zudem das kirchliche Arbeitsrecht in der Diakonie, das für etwa 450.000 Beschäftigte gilt. Schneider kündigte an, man wolle am sogenannten Dritten Weg festhalten, auf dem die Löhne in „Arbeitsrechtlichen Kommissionen“ ohne Streik und Aussperrung sowie ohne direkte gewerkschaftliche Beteiligung ausgehandelt werden. Schneider wies die Behauptung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zurück, dadurch sei das Lohnniveau niedriger als bei Tarifverträgen. Das Gegenteil sei der Fall.

          Ohne den Dritten Weg würden die Löhne in der Diakonie sinken, äußerte Schneider. Die Synode berät bei ihrer bis Mittwoch dauernden Tagung über ein neues kirchliches Arbeitsrecht. Es soll der Vereinheitlichung der Arbeitsrechtsregelungen in den Gliedkirchen dienen und Möglichkeiten schaffen, dem Outsourcing, Lohndumping und der Leiharbeit in manchen Bereichen der Diakonie Einhalt zu gebieten. Derzeit ist am Bundesarbeitsgericht ein Prozess anhängig, dessen Ausgang als wegweisend für die Zukunft des Dritten Weges gilt.

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