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Gerichtshof für Menschenrechte : Erstmals über Klimaklagen gegen die Schweiz und Frankreich verhandelt

Demonstration von „Fridays for Future“ in Lissabon am 3. März 2023 Bild: AP

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt Beschwerden gegen die Schweiz und Frankreich wegen mangelnden Klimaschutzes. Die Kläger sagen, das erhöhe ihr Gesundheitsrisiko.

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          Begleitet von hohen Erwartungen auf gerichtlichen Beistand im Kampf gegen den Klimawandel hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg am Mittwoch erstmals in öffentlicher Anhörung über Beschwerden von Klimaklägerinnen verhandelt. Die Große Kammer des Gerichtshofs mit ihren 17 Mitgliedern befasste sich zunächst mit dem Verfahren der sogenannten Klimaseniorinnen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesem Fall Geschichte schreiben und die Schweiz zu mehr Klimaschutz bewegen können“, sagte die Co-Präsidentin Anne Mahrer.

          Katja Gelinsky
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin

          Der von Greenpeace aufgebaute und unterstützte Verein hat rund 2000 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren. Man erwarte eine Antwort auf die Frage, „ob Staaten die Menschenrechte von uns älteren Frauen verletzen, wenn sie die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen nicht ergreifen“, sagte Co-Präsidentin Rosmarie Wydler-Wälti. Mehrere Staaten sowie die ehemalige UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet und die Internationale Juristenkommission haben sich an dem Verfahren beteiligt.

          Die Klimaseniorinnen und vier Einzelklägerinnen berufen sich auf ihr Menschenrecht auf Leben und Gesundheit. Der Klimawandel verursache immer schlimmere Hitzewellen. Es gebe umfangreiche Belege, dass gerade ältere Frauen einem großen Risiko ausgesetzt seien, an den Folgen der Hitze zu sterben oder zu erkranken. Die Schweiz treffe eine Schutzpflicht gegenüber älteren Frauen, den Klimaschutz zu verstärken. Das Land tue bei weitem nicht genug, um seinen Beitrag zur Einhaltung des Pariser Klimaziels von 1,5 Grad zu leisten.

          Sind die Beschwerden überhaupt zulässig?

          Der Fall der Klimaseniorinnen ist eines von drei Klimaverfahren, die derzeit vor der Großen Kammer des Gerichtshofs anhängig sind. Eine zweite Anhörung fand am Mittwoch zu der Beschwerde eines Franzosen statt, der einst Bürgermeister der Gemeinde Grande-Synthe war. Auch Frankreich tue nicht genug gegen den Klimawandel, so sein Vorwurf. Durch die Versäumnisse werde er in seinem Recht auf Leben sowie auf Achtung seines Privat- und Familienlebens verletzt.

          Die größte öffentliche Aufmerksamkeit hat bislang der Fall junger Leute aus Portugal bekommen. Die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 23 Jahren wenden sich mit ihren Beschwerden gleich gegen 33 Mitgliedstaaten des Europarates, auch gegen Deutschland. Da es um mögliche Versäumnisse etlicher Staaten geht, wirft das Verfahren noch kompliziertere Fragen auf als die Beschwerden, die sich gegen die Schweiz beziehungsweise Frankreich richten. Die Anhörung zu dem portugiesischen Fall ist für den Spätsommer geplant.

          In allen Verfahren stellt sich bereits die Frage, ob die Beschwerden überhaupt zulässig sind. Voraussetzung dafür ist die sogenannte Opfereigenschaft: ein staatlicher Akt oder das Unterlassen einer notwendigen staatlichen Maßnahme muss ein Individuum derart treffen, dass dessen Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention rechtlich eingeschränkt oder faktisch beeinträchtigt werden. Wie der Schweizer Prozessbevollmächtigte am Mittwoch in Straßburg vortrug, scheitere die Klage der Klimaseniorinnen bereits an dieser Stelle.

          Weder die Vereinsmitglieder noch die vier Einzelklägerinnen hätten dargelegt, dass die CO2-Emissionen der Schweiz kausal für ihre Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere gesundheitliche Beeinträchtigungen seien. Der Gerichtshof hat sich zwar schon mehrmals mit Umweltfragen befasst, aber Rechtswissenschaftler sagen, in vieler Hinsicht werde mit den Klimaklagen gleichwohl Neuland betreten. Mit Urteilen zu den Klimaklagen der Schweizerinnen sowie des ehemaligen französischen Bürgermeisters wird frühestens Ende des Jahres gerechnet.

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