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F.A.Z. Exklusiv : Koalition einig über restriktiven Kurs zur EU-Asylreform

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) während einer Sitzung des Bundeskabinetts im Dezember Bild: dpa

Die Ampelparteien haben sich auf einen Kurs geeinigt, mit dem Deutschland in Brüssel verhandeln kann. In wesentlichen Punkten erinnert der an Vorschläge des früheren Innenministers Horst Seehofer.

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          Die Bundesregierung hat sich bei den noch offenen Punkten zur Reform des europäischen Asylrechts auf eine gemeinsame Position geeinigt. Das wurde der F.A.Z. am Donnerstag aus Regierungskreisen bestätigt. In den wesentlichen Punkten setzte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit einem tendenziell restriktiven Kurs durch, auch wenn sie den Grünen einige Zugeständnisse machen musste.

          Thomas Gutschker
          Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

          Mit der Einigung, die schon vor dem Koalitionsausschuss am Mittwochabend stand, ist Deutschland nun auf EU-Ebene verhandlungsfähig. Angestrebt wird eine Verständigung im Rat der Mitgliedstaaten bis Juni, da­nach sollen die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen, um die Reform bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr nächsten Jahres abzuschließen.

          Nach F.A.Z.-Informationen ist die Bundesregierung grundsätzlich bereit, einem beschleunigten Asylverfahren an der EU-Außengrenze zuzustimmen, das eine einfachere Rückführung abgelehnter Bewerber erlaubt. Dabei können Schutzsuchende unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden, sie gelten juristisch als noch nicht eingereist und dürfen eine Ablehnung nur einmal gerichtlich an­fechten.

          Seehofers Pläne leben weiter

          Dieses Verfahren wird bislang nur an deutschen Flughäfen praktiziert. Seine Ausweitung auf Transitzentren an der Grenze hatte 2018 der damalige Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) betrieben, war dafür jedoch von SPD und Grünen scharf kritisiert worden.

          In der Koalition wurden nun einige Punkte vereinbart, die den Vorschlag der EU-Kommission etwas ab­schwächen. So soll das neue Grenzverfahren nur* für Personen gelten, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von weniger als 15 Prozent kommen; die Kommission hat 20 Prozent vorgeschlagen. Zeichnet sich eine Überfüllung der Außengrenzeinrichtungen ab, soll die Schutzquote auf fünf Prozent sinken. Das hätte weniger Schnellverfahren zur Folge, und ein größerer Anteil von Bewerbern müsste im Rahmen des Solidaritätsmechanismus umverteilt werden.

          Außerdem sollen Familien mit Kindern unter 18 Jahren grundsätzlich ein reguläres Asylverfahren bekommen; die Kommission zieht die Grenze bei 12 Jahren. Die Regierung hebt zwar hervor, dass Haft an der Außengrenze nur als Ultima Ratio in Betracht kommt. Sie akzeptiert aber die dafür schon jetzt bestehenden Voraussetzungen.

          Ersteinreiseländer in der Pflicht

          Eine wirksame Einführung des Grenzverfahrens würde die irregulären Migrationsbewegungen innerhalb der EU erheblich begrenzen. Gleichwohl fordert die Regierung hier weitere Anpassungen, die ebenfalls schon von Seehofer erhoben, allerdings nicht von der EU-Kommission aufgegriffen wurden.

          Grundgedanke ist, dass das Land der ersten Einreise noch stärker in die Pflicht genommen werden soll. Wenn ein Asylbewerber dort keinen Antrag stellt und sich ab­setzt – die sogenannte Sekundär­migration – geht die Zuständigkeit für das Asylverfahren nach sechs Monaten automatisch auf das neue Aufenthaltsland über. Daran scheitern regelmäßig Rücküberstellungen von Deutschland nach Italien. Deshalb soll diese Frist nach dem Willen der Regierung auf zwölf Monate verlängert werden. Falls ein Bewerber un­tertaucht, sollen nach seinem Aufgreifen in jedem Fall sechs Monate für die Überstellung Zeit sein, auch wenn die Jahresfrist schon verstrichen ist.

          Das sind allerlei Zumutungen für Länder wie Italien. Wenn deren Asylsysteme überlastet sind, ist die Bundesregierung grundsätzlich bereit, sich an Umverteilungen im Rahmen ihres „fairen Anteils“ zu beteiligen. Allerdings lehnt die Koalition Verpflichtungen ab, die darüber hinausgehen. Zudem verlangt sie, dass die Sekundärmigration bei einer Umverteilung berücksichtigt wird.

          * In einer früheren Fassung hieß es, dass das neue Verfahren nicht für diese Personen gelten solle.

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