Erwin Sellering im Gespräch : „DDR war kein totaler Unrechtsstaat“
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Ein Wessi im Nordosten: Erwin Sellering, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Bild: ddp
Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), hat die DDR gegen zu harsche Kritik verteidigt. „Ich verwahre mich dagegen, die DDR als totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab“, sagte Sellering der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Erwin Sellering (SPD) ist seit vergangenem Jahr Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern: ein Westdeutscher als Landesvater im hohen Nordosten. Der SPD trat er erst aus diesem Anlass bei. Nun möchte er die Einwohner und Wähler Mecklenburg-Vorpommerns von seinem Einsatz für eben dieses Land überzeugen - und verteidigt die DDR gegen allzu harsche Kritik. „Ich verwahre mich dagegen, die DDR als totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab“, sagte Sellering der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Herr Sellering, in Deutschland gibt es noch fünf Ministerpräsidenten der SPD. Einer sind Sie. Aber man kennt Sie nicht. Warum?
Nach fünf Monaten im Amt lässt sich mein Bekanntheitsgrad bundesweit sicher noch steigern. Ich will aber vor allem für die Mecklenburger und Vorpommern da sein. Und die kennen mich.
Sie sind Westdeutscher. Was heißt das für Ihr politisches Leben?
Man hört es an meiner Sprache, dass ich aus Westdeutschland stamme. Das ist aber nicht entscheidend dafür, wie mich die Menschen wahrnehmen.
Immerhin 43 Prozent der Leute hier finden es nicht gut, wenn ein Wessi ihr Land regiert.
Wenn die Leute es sich wünschen könnten, würden sie wohl sagen: Wäre schön, wenn er hier geboren wäre. Aber bis zur nächsten Landtagswahl habe ich noch drei Jahre Zeit, um zu zeigen, dass es darauf nicht ankommt, sondern auf den Einsatz fürs Land.
Sie lehnen die Föderalismusreform II ab. Ihr letztes Wort?
Wir werden dieser Reform im Bundesrat nicht zustimmen. Mecklenburg-Vorpommern soll zum Geberland werden. Das geht nicht. Solidarität bedeutet, dass die Starken den Schwachen helfen. Mecklenburg-Vorpommern gehört aber trotz aller Fortschritte nicht zu den wirtschafts- und finanzstarken Ländern in Deutschland.
Wenn andere mehr Schulden haben, dann ist es eben so.
Das darf nicht der Maßstab sein. Sonst werden diejenigen belohnt, die Schulden gemacht haben. Bestraft werden wir, weil wir seit Jahren unter schwierigsten Bedingungen einen harten Sparkurs fahren. Das ist falsch. Und es hat eine verheerende psychologische Wirkung.
Sie haben Rot-Rot 1998 mit vorbereitet. Ist die SED-Vergangenheit der „Linken“ ein Thema für Sie?
Für mich ist das ein schwieriges Thema, weil ich nicht in der DDR gelebt habe. Ich habe mich stets davor gehütet, mit westlichem Blick Verurteilungen vorzunehmen.
War die DDR eine Diktatur?
Sie war gewiss kein Rechtsstaat. Ich verwahre mich aber dagegen, die DDR als den totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab. Allerdings stimmt: Der Staat machte vielfach, was er wollte. Es gab keine Kontrolle durch unabhängige Gerichte. Insofern hat zur DDR immer auch ein Schuss Willkür und Abhängigkeit gehört.
Ein Schuss Willkür? Das klingt sehr verharmlosend.
Zu verharmlosen liegt mir fern. Aber wir leben heute in einem Staat zusammen. Deswegen habe ich Bedenken vor Diskussionen, die sich nur auf die DDR beziehen. Es ist ja nicht so, dass ein idealer Staat auf einen verdammenswerten Unrechtsstaat stieß. Die alte Bundesrepublik hatte auch Schwächen, die DDR auch Stärken.
Die DDR hatte Stärken?
Natürlich hatte die DDR Stärken. Viele Leute sagen mir immer wieder: Was ihr in den Kitas macht oder was nach dem Vorbild Finnlands in den Schulen getan wird, das kennen wir schon. Dinge, die wir jetzt zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung einführen, gab es schon in der DDR. Auch als überzeugter Anhänger unseres sozialen Rechtsstaates sage ich: Das eine war nicht völlig schwarz, das andere ist nicht völlig weiß.
Das vollständige Interview lesen Sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.