
Erdogan-Auftritt bei G20 : Genug ist genug
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Recep Tayyip Erdogan Bild: AFP
Das Redeverbot für Erdogan war unvermeidlich: Hassprediger haben in Deutschland nichts verloren, ob sie als Flüchtlinge kommen oder als Präsidenten.
Die Bundesregierung hatte eine Engelsgeduld mit dem türkischen Präsidenten. Um nicht noch Öl in das nationalistische Feuer zu schütten, mit dem Erdogan sein Volk über die Eiseskälte seines Regimes hinwegtäuscht, ertrug Berlin Verunglimpfungen aus seinem Munde, wie man sie noch von keinem Nato-Verbündeten gehört hat, der noch dazu Vollmitglied der EU werden wollte. Es ließ Erdogan und seine Propagandisten Reden in deutschen Sportpalästen halten. Es nahm es hin, dass deutsche Abgeordnete deutsche Soldaten in der Türkei nicht besuchen durften. Auch auf den Zugang zu verhafteten Deutschen, darunter die Geisel Yücel, mussten deutsche Diplomaten wochenlang warten.
Berlin erduldete das alles in der Hoffnung, Erdogan werde irgendwann wieder halbwegs zur Vernunft kommen und einsehen, dass die Verschlechterung des deutsch-türkischen Verhältnisses auch nicht in seinem Sinne ist. Doch handelt Erdogan so unbeirrbar nach einer anderen politischen Rationalität, dass die Regierung Merkel, die sich schon des Verdachts der Erpressbarkeit erwehren musste, zu einem Kurswechsel gezwungen war.
Neuer Tiefpunkt in einst so guten Beziehungen
Er begann mit dem Incirlik-Beschluss. Auch das Redeverbot für Erdogan liegt auf dieser Linie. Es markiert einen neuen Tiefpunkt in den einst so guten Beziehungen, war aber unvermeidlich. Wie andere autoritäre Herrscher versteht Erdogan nur die Sprache der Stärke. Potentaten wie er deuten Entgegenkommen als Zeichen der Schwäche, das für sie gleichbedeutend ist mit einer Einladung. Doch Hassprediger, die ihre Konflikte und Kriege nach Deutschland tragen wollen, haben hier nichts zu suchen, ob sie als Flüchtlinge kommen oder als Präsidenten.
Auftrittsverbot für Erdogan : Schulz: G-20-Gipfel keine Plattform für Propaganda
Wird Erdogan nun „die Welt aufstehen lassen“, wie er gedroht hatte? Nicht zum G-20-Gipfel erscheinen? Größere Bedeutung haben die strategischen Fragen, die zu beantworten sind: Was bedeutetet Erdogans außenpolitische Geisterfahrt für die Nato, deren Flügelmann die Türkei in einer höchst instabilen Weltgegend ist? Und was macht die EU mit Ankara, nachdem ihr Versuch, die Türkei im Zuge des Aufnahmeprozesses zu verwestlichen, als gescheitert angesehen werden muss? Den Kopf in den Sand zu stecken und auf die Zeit nach Erdogan zu hoffen mag verlockend sein. Doch ist die Türkei für den Westen nach wie vor zu wichtig, als dass er regungslos zuschauen könnte, wie Erdogan in seinem Land Schritt für Schritt eine islamistische Diktatur errichtet.