Elbphilharmonie : Koste sie, was sie wolle
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Weichgezeichnet: Die Elbphilharmonie im Hamburger Nebel Bild: dpa
Ole von Beust wollte Hamburg ein neues Wahrzeichen schenken, aber die Elbphilharmonie ist immer noch nicht fertig. Die Kosten sind kräftig gestiegen. Die bekannten Verträge geben Anlass zu Fragen.
Doch, Paul Rieger hat sich die Baustelle der Elbphilharmonie in Hamburg auch schon einmal angesehen. Viel interessanter aber findet er es, in seinem Büro die Verträge zwischen der Stadt Hamburg und dem Bauunternehmen Hochtief über den Bau des Konzerthauses zu studieren. Er tut es mittels einer von ihm und einigen seiner Kollegen entwickelten Software. Rieger ist Ingenieur im nordrhein-westfälischen Velbert und leitet ein Büro für Bauplanung. Vor allem mit Baurevisionen ist er beschäftigt. Die Software ermöglicht es ihm, Verträge in eine Datenbank einzulesen, nach von ihm ausgewählten Stichworten zu durchforsten und dabei auch Zusammenhänge zu prüfen, die nicht sogleich erkennbar sind. „Das funktioniert nicht nur bei einem einzelnen Vertrag, sondern auch bei einem Konvolut“, sagt er. So wie bei der Elbphilharmonie. Riegers Urteil: Die ursprünglichen Verträge seien gut ausgehandelt. Nur habe die Stadt Hamburg sie nicht konsequent umgesetzt. Vielmehr habe Hochtief die Stadt und damit den Steuerzahler über den Tisch gezogen.
Inzwischen gibt es fünf Nachträge zum ursprünglichen Vertrag. Der fünfte wurde gerade unterschrieben. Die Bürgerschaft will ihn am 19. Juni auf einer Sondersitzung beschließen. „Viel zu wenig Zeit für die Komplexität“, stöhnt die Opposition. Seit 2010 haben zwei Parlamentarische Untersuchungsausschüsse der Bürgerschaft versucht, Licht in das Dunkel der Kostensteigerung für das geplante Konzerthaus zu bringen. Gerade wird der Abschlussbericht von Ausschuss zwei erarbeitet, da droht die CDU schon mit einem dritten Ausschuss. Vor ein paar Tagen diskutierte die Bürgerschaft darüber, dass die Stadt auf Forderungen an Hochtief in Höhe von 244 Millionen Euro verzichtet, während sie sich gleichzeitig verpflichtet, noch einmal zusätzlich 200 Millionen Euro in das Bauprojekt zu stecken.
Inzwischen fast 800 Millionen Euro Gesamtkosten
Baubeginn der Elbphilharmonie war 2007. Damals regierte die CDU mit absoluter Mehrheit. Ole von Beust war Bürgermeister - und fest davon überzeugt, dass das Konzerthaus in der Hafencity Hamburgs neues Wahrzeichen würde. Der damals geschlossene Vertrag über die Elbphilharmonie enthält eine sogenannte Loyalitätsklausel. Alle beteiligten Seiten - die Stadt, Hochtief und das Architekturbüro Herzog & de Meuron - sind sich einig, dass sie es mit einem besonderen Vorhaben zu tun haben und deshalb auftretende Probleme großzügig lösen wollen.
Wie das in der Praxis aussah, zeigte sich schon einen Monat nach Vertragsunterzeichnung. Da kam der erste Nachtrag auf den Tisch. Eine Bauverzögerung von drei Monaten wurde angekündigt. Die Stadt zahlte dafür. Aus dem Bauverzug von drei Monaten wurden Jahre, bis hin zum Baustillstand. 2011 wurde Olaf Scholz (SPD) Bürgermeister. Er übernahm die Elbphilharmonie als Altlast mit dem Versprechen, alles zu einem guten Ende zu führen. Nachtrag fünf, Ende des vergangenen Jahres ausgehandelt, ist der Versuch, das Konzerthaus endlich zügig zu Ende zu bauen - und zwar weiterhin mit Hochtief. Eröffnungstermin soll nunmehr 2016 sein. Die Gesamtkosten liegen inzwischen bei fast 800 Millionen Euro. In der ersten Planung ging es für die Stadt noch um eine zweistellige Summe.
In der ersten Planung war auch vorgesehen, das Hotel und die Wohnungen, die in dem Komplex mit entstehen, unter Beteiligung privater Investoren zu bauen - als Public Private Partnership. Heute ist davon keine Rede mehr. Die Stadt bilanziert die Aufgaben aber nach wie vor getrennt. Hier das Konzerthaus, dort die kommerzielle Nutzung. „Unter anderem deshalb wissen wir immer noch nicht, was die Elbphilharmonie insgesamt tatsächlich kosten wird“, meint Paul Rieger. Für den Ingenieur ist die Elbphilharmonie interessant geworden, weil das neue Hamburger Transparenzgesetz die Stadt verpflichtete, die Verträge über den Bau ins Internet zu stellen. Das gab Rieger die Gelegenheit, mit seiner Software den Vertrag über die Elbphilharmonie zu testen. Das Ergebnis hat er der Stadt angeboten. Er bekam keine Antwort.