Hamm-Brücher gestorben : Die Grande Dame der FDP
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Sie hat die FDP über viele Jahre geprägt. 54 Jahre war Hildegard Hamm-Brücher Mitglied der Liberalen. Bild: dpa
Hildegard Hamm-Brücher ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Jahrelang prägte die streitbare Politikerin die FDP. Doch sie stellte sich auch gegen die Linie der Liberalen – und trat 2002 aus der Partei aus.
Wäre Hildegard Hamm-Brücher ein Mann gewesen, hätte man ihr die Ehrenmedaille „Liberales Urgestein“ umgehängt. So aber stieg die Politikerin zur „Grande Dame“ der FDP auf, eine Bezeichnung, die ihr offensichtlich nicht unangenehm war. Wenngleich sie hart und auch schneidend im Sinne ihrer meist linksliberalen Vorstellungen zu argumentieren pflegte, strahlte sie im Lauf der Jahre trotz einer beachtlichen politisch-beruflichen Karriere stets eine Distanz zu den Niederungen der alltäglichen Politik aus. Hamm-Brücher hat den Nimbus der Unabhängigkeit, zum Ärger vieler ihrer Parteifreunde, auch gepflegt und genossen – ihrer früheren Parteifreunde, ist hinzuzufügen.
1998 trat sie aus dem bayerischen Landesverband der FDP aus, weil dieser eine Koalitionsaussage zugunsten der CSU gemacht hatte, behielt aber eine „bundesunmittelbare“ Parteimitgliedschaft. 2002 verließ sie, im Alter von 81 Jahren, dann auch die Bundes-FDP, weil deren damaliger Vorsitzender Guido Westerwelle angeblich zu lange zu der „andauernden rechtspopulistischen, antiisraelischen und tendenziell Antisemitismus schürenden Agitation“ des FDP-Politikers Jürgen Möllemann geschwiegen habe.
Die Prägung, die Hamm-Brücher in ihrer Kindheit und Jugend zu erleiden hatte, wirkte fort. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern wuchs sie in Dresden bei der Großmutter auf, die sich in der Zeit des Nationalsozialismus das Leben nahm, um nicht in das KZ Theresienstadt deportiert zu werden. Als Studentin der Chemie, in welchem Fach sie nach dem Krieg promoviert wurde, wirkte sie im Umfeld der „Weißen Rose“ in München. Dass sie zur Politik und zur FDP stieß, ist auf biographische Zufälle ihrer Generation zurückzuführen. Sie musste arbeiten, um ihre jüngeren Geschwister finanziell unterstützen zu können. Sie tat es als Redakteurin in München. Bei einem Interview lernte sie Theodor Heuss, den späteren Bundespräsidenten, kennen, der sie als FDP-Mitglied gewann.
Hamm-Brücher, die mit einem CSU-Kommunalpolitiker verheiratet war, kam rasch in den Stadtrat von München und dann auch in den Bayerischen Landtag. Sie stritt gegen die Konfessionsschule, was damals eine Ungeheuerlichkeit war. Schwerpunkt ihrer Arbeit war die Bildungspolitik. In der Bundes-FDP rückte sie in das Präsidium auf. Als Hamm-Brücher 1976 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, war sie schon überregional bekannt. Der FDP-Vorsitzende und Außenminister Hans-Dietrich Genscher holte sie als Staatsministerin in das Auswärtige Amt, wo sie vor allem für Fragen der Kulturpolitik zuständig war.
Die Aufkündigung des Bündnisses mit der SPD 1982 mochte die „Sozialliberale“ nicht mitmachen. Der „demokratische Anstand“ sei verletzt worden, rief sie in der Bundestagsdebatte, in der Bundeskanzler Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum von Helmut Kohl (CDU) abgelöst wurde. Doch sie blieb der FDP treu – und Mitglied des Bundestags. Zusammen mit Gerhart Rudolf Baum und Burkhard Hirsch zählte sie zu den sozialliberalen Kritikern der Koalition mit der Union. Für sie waren es keine leichten Jahre – und für die FDP auch nicht. 1990 schied sie aus dem Bundestag aus. Am Donnerstag ist Hildegard Hamm-Brücher im Alter von 95 Jahren gestorben.