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Baden-Württemberg : Ehemaliger Mandatsträger bringt die CDU in Bedrängnis

Landesgeschäftsstelle der CDU in Stuttgart. Bild: dpa

Die Partei würde den Mann nach Missbrauchsvorwürfen gern ausschließen, doch dazu bräuchte sie ein rechtskräftiges Urteil. Zwei Ermittlungsverfahren gegen den früheren Politiker sind jedoch eingestellt worden.

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          Ein schwerer Fall von sexuellem Missbrauch führt in der baden-württembergischen CDU zu Diskussionen. Ein ehemaliger Mandatsträger soll in den Jahren 2007 bis 2011 zu einem damals 13 oder 14 Jahre alten Patenkind eine sexuelle Beziehung unterhalten haben. Es soll sich um die Tochter eines engen Freundes gehandelt haben, der kurz zuvor verstorben war. Der Altersunterschied zwischen dem mutmaßlichen Täter und dem mutmaßlichen Opfer betrug 30 Jahre. Das mutmaßliche Opfer soll die Beziehung 2011 beendet und den Politiker dann 2018 angezeigt haben.

          Rüdiger Soldt
          Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.

          Es gab zwei Ermittlungsverfahren, eines wurde mangels Beweisen nach Paragraph 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung beendet; das zweite ist nach der Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 30.000 Euro nach Paragraph 153a der Strafprozessordnung ohne Schuldanerkenntnis ebenfalls eingestellt worden, weil sich auch hier die Vorwürfe nicht hinreichend beweisen ließen. Nach Informationen der F.A.Z. konnte der Beginn der sexuellen Beziehung nicht nachgewiesen werden.

          Eine Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens ist grundsätzlich möglich, es sei denn, alle Tatvorwürfe sind verjährt. Der ehemalige Politiker gilt als unschuldig, zum Schutz seiner Persönlichkeitsrechte lässt sich der ehemals Beschuldigte von einem bekannten Medienanwalt vertreten. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe hat der ehemals Beschuldigte stets bestritten.

          In vollständig anonymisierter Form hatte die Zeitung „Welt am Sonntag“ im April erstmals über den Fall berichtet. Innerhalb der baden-württembergischen CDU galt der Mann als Hinterbänkler mit wenig Einfluss in der Landespartei und auch in den politischen Gremien, denen er angehörte. Im Wohnort des ehemaligen Mandatsträgers soll es Gerüchte gegeben haben, einige Journalisten sollen schon 2021 versucht haben, den Fall zu recherchieren, allerdings ergebnislos. Aus der CDU-Landesführung ist der als unschuldig geltende ehemalige Mandatsträger mittlerweile aufgefordert worden, die Partei zu verlassen. Das lehnt er offenbar ab.

          Ein CDU-Bezirksvorsitzender sagte, der Fall stelle seine Partei vor ein großes Dilemma, das aus rechtlichen Gründen nicht aufzulösen sei: „Wenn er rechtsstaatlich verurteilt worden wäre, hätten wir ein Parteiausschlussverfahren einleiten können. Es ist für uns also unbefriedigend, dass wir dieses mutmaßlich sehr abgründige Verhalten nur moralisch verurteilen können.“ Würde der zuständige Kreisverband oder der CDU-Bundesvorstand ein Parteiausschlussverfahren anstreben, würde dieses scheitern und die Partei nur öffentlich ihre Unfähigkeit demonstrieren. „Es fehlt schlicht der Rechtsgrund“, sagte der Bezirksvorsitzende. Die zuständige Staatsanwaltschaft äußert sich zu dem Fall nicht. „Wir bestätigen das Verfahren nicht, weil die schutzwürdigen Interessen der Personen Vorrang haben“, sagte eine Sprecherin.

          In dieser Woche gab der frühere Beschuldigte sein letztes verbliebenes Parteiamt ab. Kompliziert wird der Fall dadurch, dass einer der zuständigen Kreisverbandsvorsitzenden über die mutmaßlichen Taten des Mandatsträgers informiert war, weil er zuvor ein ranghoher Polizist in der Region war. Deshalb wurde er von der Staatsanwaltschaft über die Ermittlungen informiert. Auch das Landesjustizministerium wurde informiert, weil es sich um Ermittlungen handelte, die die Immunität eines Mandatsträgers berührten und weil von den Ermittlungen parlamentarische Gremien hätten involviert werden können.

          Der Polizist und der frühere Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) mussten ihre Informationen als Dienstgeheimnis behandeln, weshalb sie keine geeigneten Möglichkeiten hatten, eine abermalige Nominierung des Mandatsträgers zu verhindern. Der CDU-Landesverband will von den Vorgängen erst durch den Zeitungsartikel im April erfahren haben. Ein Sprecher sagte: „Der Landesverband war über die anonymisierte Berichterstattung im vorliegenden Fall schockiert. Wir missbilligen ein derartiges mögliches Verhalten und machen deutlich, dass es keinen Platz in der CDU haben darf. Innerhalb der betroffenen Ebenen der Partei gibt es darüber eine große Einigkeit.“

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