„Eckpunkte“ für Gesetzentwurf : Bundesregierung will Beschneidungen nicht bestrafen
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Medizinisch fachgerechte Beschneidungen sollen künftig erlaubt sein Bild: dpa
Beschneidungen sollen erlaubt sein, sofern sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden - auch dann, wenn ein Eingriff medizinisch nicht erforderlich ist. Das geht aus „Eckpunkten“ des Bundesjustizministeriums für einen Gesetzentwurf hervor, die der F.A.Z. vorliegen.
Die Bundesregierung will Beschneidungen erlauben, sofern sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden. Nach „Eckpunkten“, die das Bundesjustizministerium am Dienstag an Bundesländer und Verbände verschickt hat und die der F.A.Z. vorliegen, ist vorgesehen, das Bürgerliche Gesetzbuch zu ändern.
Die „Personensorge“ umfasst demnach „auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll“. Weiter heißt es: „Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.“
Die Einwilligung der Eltern schließt damit aus, dass Beschneidungen als Körperverletzung bestraft werden können. Das Kölner Landgericht hatte in einem rechtskräftigen Urteil vom 7. Mai eine Beschneidung aus religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung gewertet, den Arzt aber freigesprochen, weil ihm nicht bewusst gewesen sei Unrecht zu tun. In dem Vorschlag wird bewusst nicht auf eine religiöse Motivation der Eltern Bezug genommen. Sonst müsse, wie es heißt, die Rechtspraxis den Inhalt religiöser Überzeugungen ermitteln. Eltern könnten eine Beschneidung aus unterschiedlichen Gründen für „kindeswohldienlich“ halten.
In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen nach den Eckpunkten „auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen ... durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind“.
Eltern sollen nach dem Vorschlag in eine medizinisch nicht angezeigte Beschneidung einwilligen können, wenn medizinische Standards beachtet werden. Zu einem fachgerecht vorgenommenen Eingriff gehört demnach eine „im Einzelfall gebotene und wirksame Schmerzbehandlung“.
Zudem wird darauf verwiesen, dass schon jetzt die umfassende Aufklärung der Eltern über den Eingriff, seine Folgen und Risiken Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung sei. Daher soll dieses Erfordernis im Gesetzestext nicht eigens erwähnt werden.
Über den „Kindeswohlvorbehalt“ soll dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag Rechnung getragen werden. Das Kölner Landgericht war zu dem Schluss gekommen, die Einwilligung der Eltern in eine aus religiösen Gründen vorgenommene Beschneidung sei unbeachtlich, weil sie nicht dem Kindeswohl diene.
Stellungnahme bis zum 1. Oktober erbeten
Der Bundestag hatte die Bundesregierung am 19. Juli dazu aufgefordert, „unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist“. Das Bundesjustizministerium bittet nun die angeschriebenen Verbände und Fachleute, den Bundesgerichtshof und den Generalbundesanwalt um eine Stellungsnahme bis zum 1. Oktober (12 Uhr).
Diese „äußerst kurze Frist“ sei „dem Umstand geschuldet, dass der Deutsche Bundestag´noch im Herbst 2012‘ die Vorlage eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung erwartet und das Vorhaben allgemein als eilbedürftig angesehen wird.“ Die Eckpunkte sind erstellt worden nach Anhörungen von Fachleuten durch die Bundesregierung sowie nach einer Erörterung im Ethikrat.
Außenminister Westerwelle (FDP) hatte erst kürzlich jüdischen Organisationen in den Vereinigten Staaten versprochen, in Deutschland rasch Rechtssicherheit bei der rituellen Beschneidung von Jungen zu schaffen. Die Regierung wolle die Ausübung religiöser Bräuche garantieren.