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Die AfD und der rechte Rand : Zeichen der Ohnmacht

  • -Aktualisiert am

Die AFD-Abgeordneten im Europaparlament, ganz links Marcus Pretzell Bild: dpa

Die AfD hat lange abgestritten, im Duisburger Stadtrat mit rechtsextremen Parteien gestimmt zu haben. Ein nun veröffentlichtes Protokoll beweist das Gegenteil. Das bringt auch einen Europaabgeordneten in Bedrängnis.

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          Der AfD-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, hatte am Dienstag das Bedürfnis, ein „Zeichen“ zu setzen. „Die Konsequenzen für ihr Handeln treffen jetzt zwei Duisburger AfD-Funktionsträger, die im Duisburger Rat in einer offenen Abstimmung einen NPD-Kandidaten unterstützt haben“, heißt es in einer recht holprig formulierten Mitteilung Pretzells. Einer der beiden Ratsherren sei von allen seinen Parteiämtern zurückgetreten. In der Partei darf er aber offenbar bleiben. Bei dem anderen AfD-Ratsherrn setzte Pretzell ein Zeichen noch größerer Ohnmacht. Der Kommunalpolitiker habe sich Gesprächen verweigert. Pretzell blieb nichts anderes übrig, als ihn aufzufordern, die Partei zu verlassen.

          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

          Für Pretzell ist der Vorgang auch eine persönliche Niederlage. Der Anwalt und Europaabgeordnete legte in den vergangenen Wochen stets Wert auf die Feststellung, dass seine Partei in den nordrhein-westfälischen Stadträten wie in Duisburg bei der Besetzung von Gremienposten nicht mit den rechtsextremen Parteien kooperiert habe. „Nach dem, was man mir sagt, hat es solche Absprachen nicht gegeben“, sagte Pretzell noch im September. Erst unlängst ließ Pretzell allerdings vorsichtshalber wissen, sollten tatsächlich AfD-Vertreter mit der NPD stimmen, würde die Landespartei „darin ein großes Problem sehen und einschreiten“. Auch werde er „jedem in unserer Partei den Kopf waschen, der Absprachen mit Pro NRW treffen will“.

          Es war eine merkwürdige Äußerung. Denn vor allem aus Duisburg gab es schon seit Wochen recht deutliche Hinweise, dass es längst zu Absprachen gekommen sein musste. In einer in Duisburg mittlerweile legendären Marathon-Ratssitzung, die am 30. Juni begann und erst am 1. Juli kurz nach fünf Uhr in der Frühe endete, hatte sich der Eindruck immer weiter verfestigt, dass die beiden rechtsextremen Parteien NPD sowie Pro NRW und die AfD ihre Stimmen bündelten, um sich Mandate in Aufsichtsräten und Sondergremien zu sichern. So bekam Pro NRW acht Stimmen und ein Mandat bei der Wahl des Aufsichtsrats der Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft, obwohl die Partei nur vier Ratsmitglieder hat. Die AfD wiederum bekam mit acht Stimmen einen Aufsichtsratsposten in der Duisburger Bau- und Verwaltungsgesellschaft – obwohl sie nur drei Ratsmandate hat. Mit acht Stimmen schaffte es Pro NRW auch in den Aufsichtsrat der städtischen Baugesellschaft, der Marketing GmbH und der Frische-Kontor Duisburg GmbH. Die Achte im Abstimmungsbunde dürfte jeweils die Duisburger NPD-Ratsfrau gewesen sein.

          Frühere NPD-Mitglieder werden nicht aufgenommen

          SPD und CDU in Duisburg warfen der AfD vor, sich eng abgesprochen zu haben und den Anschein von Bürgerlichkeit nur als Deckmäntelchen zu benutzen. Nachweisen konnten sie die Kooperation jedoch nicht, weil geheim abgestimmt wurde. Allerdings freute sich die rechtsextreme Splitterpartei Pro NRW auf ihrer Internetseite damals umgehend über die Unterstützung zunächst nicht näher genannter „Parteien und Gruppierungen“. Mitte September teilte der Vorsitzende von Pro NRW dann mit, Pretzell sage entweder bewusst die Unwahrheit oder habe seinen Laden nicht im Griff. Unter anderem in Duisburg habe es „natürlich“ Absprachen gegeben – die penibel eingehalten worden seien. „Mit dem Ergebnis, dass unsere beiden oppositionellen Parteien gemeinsam gegen die Wahllisten der Altparteien zahlreiche wichtige Posten in städtischen Aufsichtsräten und Kontrollgremien erkämpfen konnten.“

          Pretzell hielt dennoch an seinem Kurs fest. Aber durch die nun veröffentlichte Niederschrift der Duisburger Marathon-Ratssitzung lässt sich ein Kooperations-Fall nachweisen, der für sich genommen vielleicht noch nicht einmal übermäßig viel Aufregung hervorgerufen hätte. Laut Protokoll unterstützten zwei AfD-Ratsherren die NPD-Ratsfrau dabei, beratendes Mitglied im Kulturausschuss zu werden. Der Antrag scheiterte zwar, doch das Abstimmungsverhalten der AfD ist schwarz auf weiß dokumentiert.

          Umgehend versuchte Pretzell am Dienstag, die Schuld an die Duisburger Parteifreunde zu delegieren. Sie hätten „jegliche Absprachen mit Parteien wie Pro NRW und NPD im Duisburger Rat abgestritten“. Die AfD nehme niemanden als Mitglied auf, der früher einmal Mitglied der NPD gewesen sei, stellte Pretzell klar. Wer eine solche Mitgliedschaft verschweige, werde wie vom Bundesvorstand beschlossen sofort nach Bekanntwerden aus der AfD ausgeschlossen. „Abstimmungen zugunsten dieser Partei sind folglich ein absolutes Unding.“

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