Drohne Euro Hawk : Koloss im Blindflug
- -Aktualisiert am
Die Drohne vom Typ Euro Hawk: Kein Kollisionsschutz an Bord Bild: dpa
Das Verteidigungsministerium hat mit der Drohne Euro Hawk Hunderte Millionen Euro in den Sand gesetzt. Von Problemen mit der Zulassung will es erst 2011 erfahren haben - tatsächlich waren die seit 2004 bekannt. Vier Minister sahen weg.
Als der Riesenvogel in Manching landete, waren die Zuschauer aus dem Häuschen. So groß, so mächtig hatte sich kaum jemand den Euro Hawk vorgestellt, die neue Aufklärungsdrohne der Bundeswehr. Fast 24 Stunden war sie geflogen, an einem Stück aus Kalifornien, gut 10000 Kilometer weit - alles ferngesteuert. Nun beginne eine neue Ära der Militärluftfahrt, schwärmte der Vertreter des Bundesamts für Wehrtechnik und Beschaffung an jenem Tag im Juli 2011. „Ein Meilenstein der Luftaufklärung“, jubelte die Luftwaffe auf ihrer Internetseite und versprach: Afghanistan nonstop hin und zurück, das sei künftig ein Kinderspiel.
So, so.
In Wahrheit war schon die Überführung des Euro Hawk aus Amerika ein Albtraum gewesen. Zweimal brach die Satellitenverbindung zwischen Bodenstation und Drohne zusammen, jeweils für etwa zehn Minuten. Der Pilot saß vor einem schwarzen Bildschirm. Als er wieder Kontakt hatte, war der Koloss - 15 Tonnen schwer, 40 Meter Spannweite - vom Kurs abgewichen, er hatte sogar an Höhe verloren. Eine Gefahr für andere Flugzeuge bestand nicht, die Drohne flog auf fast 20000 Metern. Aber wenn sie weiter gesunken wäre, hätte sie selbst nicht ausweichen können. Der Euro Hawk sieht nämlich ohne Bodenstation nichts. Ein Falke im Blindflug. Die Bundeswehr behielt den Zwischenfall für sich.
Amerikanischer Bericht bestätigt Probleme
Sie verschwieg noch ein weiteres Detail. Die amerikanischen Behörden hatten dem Euro Hawk den Überflug verweigert. Die Drohne musste einen Umweg nehmen: die Pazifikküste hoch, über Kanada bis Neufundland, dann über den Atlantik nach Europa. Die Amerikaner wussten, womit sie es zu tun hatten. Zwei Monate zuvor hatte das Pentagon einen Bericht über die Einsatztauglichkeit der Drohne Global Hawk, Baureihe 30, vorgelegt. Der Euro Hawk war damit eng verwandt. Das Urteil fiel vernichtend aus: Die Drohne sei „nicht für den Einsatz geeignet“. Die Prüfer monierten „häufige Ausfälle flugentscheidender Komponenten“, „geringe Verlässlichkeit beim Start“ und „hohe Flugabbruchraten“. Die Fachleute der Luftwaffe kannten den Bericht, er kann bis heute im Internet heruntergeladen werden. Sie mussten schon froh sein, dass der Euro Hawk überhaupt heil in Bayern angekommen war. Die Amerikaner hatten immerhin vier gleichartige Drohnen im Einsatz verloren.
Die Verteidigungspolitiker im Bundestag bekamen von alldem nichts mit. Sie hatten den Euro Hawk gewollt und dafür 660 Millionen Euro freigegeben - eine amerikanische Drohne mit deutscher Aufklärungstechnik. Industrie und Luftwaffe lieferten schöne Bilder und tolle Erfolgsmeldungen. Erst Anfang dieses Jahres wurde es einem Beteiligten zu bunt. Er wandte sich an den Kieler Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels (SPD); der Euro Hawk sollte im schleswig-holsteinischen Jagel stationiert werden. Sollte - denn Bartels erfuhr, dass die Drohne gar keine Serienzulassung für den Luftverkehr bek0mmen würde. Eine halbe Milliarde Euro zusätzlich wäre notwendig, um ihre Flugtauglichkeit nachzuweisen. Bartels fragte beim Verteidigungsministerium nach und brachte den Stein ins Rollen. In dieser Woche stoppte Minister de Maizière (CDU) die vorgesehene Beschaffung von vier Euro Hawks. Aus, vorbei.
Peinliche Wahrheit
Staatssekretär Beemelmans teilte dem Verteidigungsausschuss mit, das liege an der „unzureichenden Dokumentation im Hinblick auf deutsche Zulassungsanforderungen“. Es fehlten Qualifikationsnachweise für die Drohne und 120 weitere Komponenten. Sollte heißen: Die Amis sind schuld, sie rücken die Papiere nicht raus. Aber das gibt es bei jedem Rüstungsprojekt, ein Teil der Technologie wird in einer „black box“ geliefert - Inhalt geheim. „Die Erkenntnis, dass eine reguläre Musterzulassung für die Euro-Hawk-Serienflugzeuge nur mit erheblichem Mehraufwand zu erreichen sei, besteht seit Ende 2011“, gab das Verteidigungsministerium weiter zu. Doch warum erfuhren die Abgeordneten erst jetzt davon?