Der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Donnerstag im Stuttgarter Staatstheater beim traditionellen Dreikönigstreffen seiner Partei, das Corona-bedingt virtuell stattfand. Bild: dpa
Auf dem Dreikönigstreffen freut sich die FDP nicht nur über ihre neue Regierungsrolle. Der Parteivorsitzende Christian Lindner wünscht sich auch „ein echtes Zukunftsgespräch“ mit der Union.
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Die FDP hat ihren ersten Jahresauftakt als Regierungspartei im Bund dazu nutzen wollen, sich einerseits in der neuen Ampelkoalition als profilbildende Kraft zu präsentieren, andererseits aber nicht für diese Partnerschaft vereinnahmt zu werden. Der FDP-Vorsitzende, Bundesfinanzminister Christian Lindner, nahm für seine Partei in Anspruch, sie stehe für die Politik „einer aufbruchbereiten Mitte“.
Im Blick auf die CDU sagte er, seine Hoffnungen ruhten auf dem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz. Die Frage werde sein, ob die CDU der FDP jeden Kompromiss in deren Regierungsarbeit vorhalten wolle oder ob mit ihr trotz ihrer Oppositionsrolle „ein echtes Zukunftsgespräch möglich“ sei. Lindner beteuerte, die FDP habe „kein Interesse daran, sich von der CDU/CSU zu entfernen, im Gegenteil“.
Lindner: Generalsekretär steht für Bandbreite der FDP
Er blickte beim Dreikönigstreffen der Partei, das ohne Zuschauer auf der Stuttgarter Staatstheaterbühne stattfand und ins Internet übertragen wurde, auf die bevorstehenden vier Landtagswahlen in diesem Jahr im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen und sagte, die CDU sei dort genauso wie SPD und Grüne ein Wettbewerber, aber gleichzeitig auch ein potentieller politischer Partner.
Dem von ihm frisch berufenen neuen FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der im April von einem Bundesparteitag im Amt bestätigt werden muss, stellte Lindner als Auftrag, er habe mitzuwirken daran, „dass die FDP erkennbar bleibt in einer veränderten politischen Landschaft“.
Im Blick auf die Herkunft des in Teheran geborenen Djir-Sarai sagte der FDP-Vorsitzende, er sei stolz darauf, dass durch den neuen Generalsekretär eine weitere Persönlichkeit in eine Spitzenposition rücke, „die die Bandbreite der FDP repräsentiert“.
Auch Djir-Sarai ging ein auf Kindheitserlebnisse in Iran nach der islamischen Revolution. Er sagte, er habe den Umsturz erlebt und „leider auch eklatante Menschenrechtsverletzungen gesehen“, und fügte an: „Mir muss niemand erklären, was Freiheit bedeutet.“
Zu seiner künftigen Rolle sagte er, er wolle sich als Generalsekretär sowohl um die Modernisierung der Partei kümmern, als auch „die Abteilung Attacke“ bedienen. Die FDP habe nun als Teil einer Regierungskoalition eine andere Rolle als in der Oppositionszeit, allerdings wolle er „kein zusätzlicher Regierungssprecher sein“. Djir-Sarai kündigte an, er wolle auch die programmatische Weiterentwicklung der Partei voranbringen und gemeinsam für die FDP ein „Leitbild 2030“ entwickeln.
„Erfolgreichste Boosterkampagne in Europa“
Im Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie nahm der Parteivorsitzende Lindner für die neue Bundesregierung in Anspruch, sie habe in den wenigen Wochen ihrer Regierungsverantwortung „eine neue Krisenstrategie geprägt“. Sie sei mit „maßvollen Kontaktbeschränkungen“ ausgekommen, habe einen neuen Krisenstab installiert und „die erfolgreichste Boosterkampagne in Europa“ initiiert. Zur Bekämpfung der Omikron-Variante des Coronavirus seien nun möglicherweise weitere „maßvolle Beschränkungen“ notwendig.
Lindner sagte, der Schutz der Gesundheit sei ein hohes Verfassungsgut, das höchste Gut aber bleibe die Freiheit. Es sei „nur natürlich und nachvollziehbar“, dass innerhalb einer freiheitlichen Partei unterschiedliche Haltungen zu einer allgemeinen Impfpflicht existierten. Daher sei es richtig, dass die Entscheidung darüber im Bundestag auf der Basis einer individuellen Gewissensentscheidung jedes Abgeordneten fallen solle. Dies könne einen Beitrag zur Versöhnung der Gesellschaft leisten.
Lindner warb selbst nicht ausdrücklich für eine allgemeine Impfpflicht; die gastgebenden führenden baden-württembergischen FDP-Politiker Michael Theurer und Hans-Ulrich Rülke ließen hingegen deutlich ihre Skepsis erkennen. Theurer sagte, er sei skeptisch, ob eine allgemeine Impfpflicht im Verweigerungsfall mit Bußgeldern belegt werden könne. Womöglich sei es sinnvoller, jenen, die sich nicht impfen ließen, ein verpflichtendes Beratungsgespräch zuzumuten. Rülke sagte, bevor eine Impfpflicht beschlossen werde, müsse erst einmal geklärt sein, wie sie verwirklicht werden könne.
Der Parteivorsitzende Lindner hob in seiner Dreikönigsrede auch den Reformanspruch der FDP in der Migrationspolitik und bei der Bekämpfung des Klimawandels hervor. Er erneuerte das Plädoyer für offenere Regeln für jene, die als Flüchtlinge ohne gesicherten Status eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben, und verlangte gleichzeitig mehr Möglichkeiten zur Rückführung für „jene, die keinen Platz haben“.
Es müsse jetzt „tragfähige und in der Praxis funktionierende Rückführungsabkommen“ mit Drittstaaten geben. Lindner sagte, im Koalitionsvertrag sei dafür die Einsetzung eines Sonderbeauftragten vorgesehen, diese Position solle nun zügig besetzt werden.
Sozialer Aufstieg soll wieder größere Rolle spielen
Auch das Image der FDP als Partei des sozialen Aufstiegs soll nach dem Willen ihres Vorsitzenden wieder stärker wirken. Lindner sagte, als er vor 12 Jahren FDP-Generalsekretär geworden sei, habe er dies zum Schwerpunkt seines ersten Auftritts auf dem Dreikönigstreffen gemacht. Nach wie vor gälten „Herz und Leidenschaft“ der FDP jenen, „die sich erst noch auf den Weg machen wollen“; das seien „die Einsteiger, die Newcomer, die Außenseiter, die Start-ups“.
Auch in der Klimaschutzpolitik nahm Lindner für die FDP in Anspruch, die Perspektive verändert zu haben. Klimaschutz sei von einem „Nischenthema“ zu einem „Wohlstands- und Wachstumsthema“ geworden. Es stünden nicht länger ein „Tempolimit oder kleinteilige Verbote“ im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern „das Niveau der technologischen und finanziellen Ambitionen beim Klimaschutz“.