Diskussion über Pegida : Tiefer Riss durch die Gesellschaft
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Unterstützer der Anti-Islam-Bewegung Pegida am 12. Januar in Dresden Bild: AP
Thomas de Maizière hat die Absage der Dresdner Pegida-Demonstration verteidigt. Er sei einer der wenigen, die alle Terrordrohungen kennen, sagte der Bundesinnenminister. Aus der Anti-Islam-Bewegung könne sich auch eine „Chance für die Demokratie“ ergeben.
Wie schwerwiegend waren die Hinweise auf einen Anschlag, die zum Verbot aller öffentlichen Versammlungen am Montag in Dresden führten? Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte am Dienstagabend das Vorgehen des Dresdner Polizeipräsidenten, der per Allgemeinverfügung sowohl die Pegida-Demonstration als auch sämtliche Gegenveranstaltungen für 24 Stunden untersagt hatte.

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.
Er wundere sich, wie viele jetzt auf einmal so genau wüssten, was man hätte tun sollen, sagte de Maizière am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Was will das Volk?“ in der Dresdner Frauenkirche mit Blick auf die heftige Kritik, die vor allem Linkspartei und die Grünen in Bund und Land an der Entscheidung geübt hatten. „Ich bin einer der wenigen, die die volle Quellenlage kennen“, sagte de Maizière. Im Gegensatz zu abstrakten Morddrohungen, welche die Organisatoren der Pegida-Kundgebungen bereits seit Wochen erreichten, habe diesmal der internationale Terrorismus in Dresden einen Anschlag geplant. „Das ist ein qualitativer Unterschied, eine andere Dimension“, sagte der Minister. Deshalb halte er das Verbot für „verantwortlich und verantwortbar“.
Demonstrationsverbot der falsche Weg?
Die ebenfalls auf dem Podium vertretene Chefredakteurin der „Frankfurter Rundschau“, Bascha Mika, entgegnete, dass sie es für eine „falsche Entscheidung“ halte. Wenn Einzelne gefährdet seien, müsse man sie schützen, aber eine Demonstration grundsätzlich zu verbieten, sei der falsche Weg. Die Anschlagsdrohung war laut Dresdner Polizei gezielt gegen Pegida-Gründer Lutz Bachmann gerichtet gewesen. Das Verbot aller Demonstrationen hatte die Polizei intern auch damit begründet, dass potenzielle Attentäter die Demonstrationen und Personen womöglich nicht unterscheiden könnten und sich zudem spontane Kundgebungen bereits angereister Pegida-Anhänger hätten bilden können.
Zu der Diskussion im Rahmen des „Forums Frauenkirche“ waren gut 800 Besucher gekommen, darunter sowohl Anhänger als auch Gegner der montäglichen Pegida-Demonstrationen. Zu Beginn machte der Pfarrer der Frauenkirche, Holger Treutmann, deutlich, dass die Frauenkirche mit Spenden aus aller Welt wieder aufgebaut worden sei und heute auch von der Unterstützung ausländischer Besucher lebe. Man sei eine offene Kirche, gleichwohl müsse man darüber diskutieren, was die offene Gesellschaft wert sei, wenn sie nicht mehr automatisch Wohlstand und sozialen Aufstieg verspreche.
Dresden eine "gespaltene Stadt"
Sachsens Landesbischof Jochen Bohl berichtete, dass Dresden in Bezug auf Pegida zur Zeit eine tief gespaltene Stadt sei. Ein Riss gehe mitten durch Familien, Betriebe, ja selbst durch Kirchgemeinden. „Ich kann mich nicht erinnern, welches Thema uns in den letzten 25 Jahren so in Anspruch genommen hätte.“
Vielleicht habe das ganze ja auch etwas Gutes, sagte de Maizière, der sich als einer der wenigen Bundespolitiker bereits seit Tagen mit sehr differenzierten und zugleich ungewöhnlich klaren Aussagen zum Thema äußert. Angesprochen auf die massive Unzufriedenheit mit der Politik, die vor allem von Dresdner Pegida-Gängern geäußert wird, sagte der Minister, dass die Politik bisher sicher zu sehr die positiven Dinge betont habe, „in Sachsen sowieso“. Wenn der Unmut nun aber „zu einer großen, politischen Debatte führt, fände ich das auch eine wunderbare Chance für die Demokratie.“