
FAZ.NET-Countdown : Die Phrasen der Jusos
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Jusos aus Düsseldorf proben den Zwergenaufstand. Bild: dpa
Auch nach dem SPD-Parteitag trommelt der „Zwergenaufstand“ in der Partei weiter für Stimmen. Notfalls auch mit unlauteren Mitteln. Schneewittchen zieht indes an ihnen vorbei.
Hätten Sie nicht Lust, in die SPD einzutreten? Sie könnten den Jusos dabei helfen, eine große Koalition doch noch zu verhindern – und danach gerne wieder austreten. Bitte? Sie halten das für ein unlauteres Angebot? Sie haben Recht: Da könnten ja selbst AfD-Anhänger auf die Idee kommen, kurz mal in die SPD einzutreten, um Merkel zu stürzen.
Wir wollten Sie nur darauf vorbereiten, dass Ihnen demnächst ein Juso genau dieses unlautere Angebot machen könnte. Im schlimmsten Fall mit einer Zwergenmütze auf dem Kopf. So saßen viele junge Genossen auf dem Parteitag in Bonn. Und weil sie es trotz dieser selbstironischen Anspielung auf Dobrindts Bonmot vom „Zwergenaufstand“ nicht verhindern konnten, dass noch in dieser Woche Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD beginnen sollen, sagte der Chef der NRW-Jusos danach: „Jetzt gilt es, möglichst viele Groko-Kritiker in die Partei zu holen, damit wir beim Mitgliederentscheid das Ergebnis sprengen können“. Das Motto der Kampagne: Ein Zehner gegen die Groko – so teuer ist der Mitgliedsbeitrag für zwei Monate. Merkel bleibt die Hoffnung, dass das Budget der AfD-Anhänger für Mitgliedschaften in Organisationen, in denen sie niemand leiden kann, schon von Eintracht Frankfurt ausgeschöpft wurde.
In Wirklichkeit müssen sich wohl weder Merkel noch SPD-Chefin Andrea Nahles (Bitte? Martin wer?) große Sorgen um den letzten Akt des Zwergenaufstandes machen. Mit ihrem Frontalangriff auf Juso-Chef Kevin Kühnert zeigte Nahles am Sonntag ganz Deutschland, wie wenig hinter der Kampagne der Jusos steckt. Kühnert, vorher zum neuen Politstar hochgeschrieben, hatte in seiner Rede vor allem Phrasen gedroschen, sobald es um seine Vorstellung von der Zukunft ging: „Die Brücke, die diese Partei braucht, um aus ihrer Vertrauenskrise herauszukommen, die muss aus Erneuerung und Vertrauensbeweisen bestehen – sie wird nicht aus weiteren Spiegelstrichen gebaut werden.“ Mit der Union sei keine Zusammenarbeit mehr möglich, weil sie seit Jahren bei der SPD anschreibe: „Die haben einen Zettel bei uns offen, der ist so lang“ (mit Spiegelstrichen?). Ein Nein zur Groko könne „der Beginn einer neuen Geschichte“ sein. Anstatt zu erklären, was das für eine Geschichte sein soll, schloss Kühnert mit dem Appell: „Lasst uns heute einmal ein Zwerg sein, um zukünftig vielleicht wieder Riesen sein zu können“
Keine Leuchtturmprojekte, keine große Vision – das sind Vorwürfe, die sich die Sondierer um Andrea Nahles (Schulz? Der mit dem Zug?) sonst anhören müssen. Nach Kühnerts Rede fragte man sich: Für welche Leuchtturmprojekte kämpft er eigentlich? Was ist seine Vision? Das Vertrauen in die Parteispitze wiederherzustellen? Da hätte ihn nicht mal Helmut Schmidt zum Arzt geschickt. Oder treibt Kühnert doch die „Sehnsucht nach der Freiheit, die der hungrige Vagabund genießen darf“, die laut Tucholsky bei Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung aufkommt, wenn sie an die Oppositionsbank denken.
Nahles brauchte jedenfalls nur wenige Minuten, um Kühnerts Phrasen zu entlarven: „Ich höre hier sehr aufmerksam zu. Heute einmal Zwerg sein, damit morgen wieder etwas Großes rauskommt, hat Kevin gesagt. Ich vermisse etwas an Erläuterung dazu: Was ist das ,etwas Großes’ – darauf fehlt jede Antwort hier.“ Das stimmte, das saß, Nahles gewann die Abstimmung und konnte später Artikel über die „beste Rede ihres Lebens“ lesen – dabei hatte sie einfach nur einen schwachen Gegner gehabt.
Was sonst noch wichtig wird
Wenn Donald Trump auf Reisen geht, gilt es immer, die Luft anzuhalten: Hoffentlich schubst er nicht aus Versehen mal den falschen Staatspräsidenten zur Seite! Und weil die amerikanischen Senatoren den Haushaltsstreit am Montagabend vorerst beendet haben, steht Trumps Reise zum Weltwirtschaftsforum in Davos, das am Dienstag eröffnet wird, eigentlich nichts mehr entgegen. Also, festhalten, liebe Schweizer.
Ansonsten drücken wir Diane Kruger die Daumen: In Los Angeles werden am Dienstag die Oscar-Nominierungen bekanntgegeben. Nach dem Erfolg bei den Golden Globes sollte der Film „Aus dem Nichts“ auch hier gute Chancen haben. Das Schöne daran: Wir können wieder auf die umwerfenden Bilder hinweisen, die 2017 beim Shooting des F.A.Z.-Magazins mit Diane Kruger in Paris entstanden sind.
Anklicken sollten Sie außerdem das Interview mit Uber-Chef Dara Khosrowshahi, in dem er über den geplanten Neuanfang des Unternehmens in Deutschland spricht, lesen. „Es ist schwer, ein anderes Unternehmen zu finden, dem Sexismus, Diskriminierung, Technologiediebstahl und Ausspähen von Mitbewerbern vorgeworfen wurde“, schreiben F.A.Z.-Digitalchef Carsten Knop und Kollege Jonas Jansen – und konfrontieren Khosrowshahi mit den Vorwürfen.