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Die Grünen im Aufbruch : Des Glückes Unterpfand

Stehen für die neuen Grünen: die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Bild: EPA

Die Parteivorsitzenden Baerbock und Habeck lenken die Partei in eine neue Richtung. Und das offenbar mit Erfolg: Aktuellen Umfragen zufolge klettern sie von neun auf bis zu fünfzehn Prozent.

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          Die Grünen haben ein neues Machtzentrum. Es ist nicht mehr die Bundestagsfraktion wie gewohnt, sondern die Parteizentrale. Die sitzt in einem Gründerzeitbau am Rand von Berlin-Mitte, Nähe frühere Grenze. Nicht mehr die Fraktionsvorsitzenden bestimmen das Geschehen, sondern die beiden im Januar gewählten Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Kann man daraus auch schlussfolgern, dass die Grünen auf dem Weg sind, eine neue Partei zu werden? Einiges spricht dafür, und die Richtung ist auch schon erkennbar: Die Grünen wollen dorthin, wo bis eben noch die SPD stand, aber nicht mehr ist - als kraftvolle linke Volkspartei in die Mitte der Gesellschaft, in den großen Städten genauso wie auf dem Land präsent, anschlussfähig nach allen Seiten.

          Frank Pergande
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Eigentlich wollten das die Grünen schon, als über Jamaika verhandelt wurde. Sie scheiterten, vordergründig an der FDP, weil die Schluss machte, aber auch an sich selbst, am althergebrachten Flügel- und Proporzdenken. Die Grünen blieben nicht nur Opposition, sie sind in der Opposition auch noch die kleinste Truppe. Vor allem die Älteren in der Fraktion sagen sich: Das ist schon Mist, was hätten wir in der Regierung bewegen können. Und Cem Özdemir, der scheidende Parteivorsitzende, konnte nicht werden, was er für sein politisches Leben eingeplant hatte: Minister, möglichst Außenminister. Fraktion und Fraktionsführung standen unter Schock und waren erst einmal mit sich selbst beschäftigt. In dem Moment tauchten Baerbock und Habeck auf.

          Eine neue Partei

          Baerbock, selbst Bundestagsabgeordnete, aus Brandenburg, kam mehr oder weniger aus dem Nichts. Habeck war schon zuvor der strahlende Held, weil er um die Spitzenkandidatur seiner Partei für die Bundestagswahl gekämpft und nur sehr knapp gegen Özdemir verloren hatte. Als Ende Januar beim Parteitag in Hannover die Wahl der Vorsitzenden anstand, passierte für die Partei bis dahin Unvorstellbares, und das gleich im Doppelpack. Habeck forderte, die Trennung von Amt und Mandat aufzuheben. Er wollte für eine Übergangszeit Landesminister in Kiel und Bundesparteivorsitzender gleichzeitig sein. Die Parteimitglieder folgten ihm wie die Schafe dem Hirten. Parteivorsitzender wurde Habeck dann auch, bekam aber nicht eine Vertreterin des linken Parteiflügels an die Seite gestellt, wie das die grüne Logik gebot. Vielmehr obsiegte Baerbock, ebenfalls aus dem Lager der sogenannten Realos. Die Grünen hatten auf einmal ein Traumpaar an ihrer Spitze, unkompliziert, unideologisch, gutaussehend, eloquent, er 48, sie 37 Jahre alt. Eigentlich waren die Grünen schon in diesem Augenblick eine neue Partei.

          Nur im Bundestag blieb alles beim Alten. Katrin Göring-Eckardt war schon in den vergangenen vier Jahren Fraktionsvorsitzende, zusammen mit Anton Hofreiter. Sie als "Realo", er als "Linker". Beide bekamen bei der Wiederwahl schlechte Ergebnisse. Und Özdemir wurde mit einem der beiden Ausschussvorsitze für die Grünen abgefunden, Verkehr und digitale Infrastruktur. Dass er in der Partei noch einmal eine größere Rolle spielen könnte, darauf wettet niemand mehr. "Er kriegt seine Truppen nicht sortiert", sagt einer aus der Fraktionsführung.

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