Die Gorch Fock : Das Schiff, das wir lieben
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Bild: Johannes Leithäuser
Die „Gorch Fock“ ist nach zwei Jahren Pause wieder auf Ausbildungsfahrt. Nach dem tödlichen Unfall einer Soldatin versucht das Segelschulschiff, an die Tage anzuknüpfen, als es der Stolz der Marine war.
Bram und Royal heißen die höchsten Rahsegel der Dreimastbark „Gorch Fock“. Der blonde 19 Jahre alte Offiziersanwärter zeigt mit dem ausgestreckten Arm am Großmast hinauf, er strahlt seine Eltern an: „Dort oben war ich - mein Arbeitsplatz.“ Vater und Mutter sind aus Cottbus im südlichen Brandenburg nach London gekommen, um ihren Sohn wiederzusehen. Er gehört zu den ersten Offizierskadetten, die nach mehr als zwei Jahren Pause mit dem Segelschulschiff der deutschen Marine auf Ausbildungsfahrt gegangen sind.
Ein tödlicher Unfall, eine politische Debatte, ein Werftaufenthalt hatten die „Gorch Fock“ lahmgelegt. Nun hat der Obergefreite Donath Glück gehabt, wie er es sieht, mit dem Rahsegler wieder auf große Fahrt zu gehen. Und seine Eltern hatten Sorge? „Na, wir war’n eher überrascht, dass er überhaupt zum Militär geht“, sagt die Mutter, „es hätte doch auch viele andere Möglichkeiten gegeben.“
Im November 2010 stürzte eine Offiziersanwärterin bei einer Enterübung aus der Takelage. Ihre Lehrgangscrew war Tage zuvor im brasilianischen Hafen Salvador de Bahia eingetroffen, die 70 Kadetten übten in der „Segel-Vorausbildung“ im Hafen das Klettern (Aufentern) auf die Rahen, das Segelsetzen und -bergen. Der Tod der Soldatin machte wilde Schlagzeilen in deutschen Boulevardblättern.
Wilde Hektik der Politik war die Folge. Der damalige Kommandant Schatz wurde suspendiert - zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Den Tiefpunkt der Affäre aber markierte eine Meldung, die sich auf der Bericht über die Obduktion der toten Soldatin bezog. Darin war ein hohes Gewicht des Leichnams vermerkt - prompt schlussfolgerte eine Zeitung, die Kadettin sei schwer übergewichtig, daher nicht borddiensttauglich gewesen.
Kadetten lernen auch Einsamkeit zu genießen
Es stellte sich heraus, dass der Körper des augenscheinlich schlanken Unfallopfers vor seiner Überführung nach Deutschland hohe Mengen eines Konservierungsmittels aufgenommen hatte. Viele weitere Geschichten über die „Gorch Fock“, über vermeintlich brutale Schindereien in der Kadettenausbildung, über archaische Riten an Bord wurden in jenen Tagen kolportiert - die Besatzung hätte das grinsend als Seemannsgarn abtun können, hätten die Nachrichten nicht wie ein Gespinst bald die Schiffsführung, ja das ganze Schiff gefesselt und seine Zukunft eingeschnürt.
An diesem Frühlingsnachmittag in London, an dem die neue Kadettencrew ihre Eltern, Freunde und Freundinnen über das Oberdeck führt, scheint die Sonne freundlich auf das Schiff. Am Abend, bei der Abschlussmusterung, regnet es Lob auf die Kadetten, die auf dem Mitteldeck angetreten sind, jetzt wieder im blauen Dienstanzug. „Sie haben hier einen guten Eindruck hinterlassen“, stellt der Korvettenkapitän fest, der die Ausbildung an Bord leitet. „Sehr, sehr gut“ sei das Ausbildungsquartal gewesen: „Offenkundig hat Ihnen auch was dran gelegen“, vermutet der Ausbildungschef.
Die Kadetten erzählen über ihre Abenteuer an Bord mit leuchtenden Augen, die meisten jedenfalls, nicht alle. Die älteren, die schon Mitte zwanzig sind, die sich von irgendwoher in der Bundeswehr zur Offiziersausbildung der Marine querversetzen ließen, finden gesetztere Worte: „Eine wertvolle Erfahrung“ sei die Zeit gewesen, „nicht durchgehend schön, nicht durchgehend schlecht“.
Die Jungen, die gleich nach dem Abitur beim Offizierslehrgang in Flensburg antraten und schon ein halbes Jahr später an Bord geschickt wurden, berichten mit Staunen in der Stimme, was ihnen alles widerfahren ist. Wie die Übelkeit sie beim ersten Seegang an Deck trieb, wo im Schutz des Schanzkleides, der stählernen Außenwand des Schiffes, eine Spuckkiste aufgestellt ist, in die sich Seekranke übergeben können.