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Stillstand im Verkehr : Deutschland rüstet sich für den Streik

Leere Gleise: Arbeiter am Hauptbahnhof in Hagen am Freitag. Am Montag wird dort – wie fast im ganzen Land – kaum ein Zug fahren. Bild: AFP

Am Montag wird es wohl das große Verkehrschaos geben. Viele öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht. Was können Pendler und Unternehmen tun?

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          Auch ein Stillstand will gut vorbereitet sein: Einen Tag nach der Ankündigung eines flächendeckenden Warnstreiks im Verkehrsbereich am kommenden Montag laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um die Auswirkungen für Pendler und die öffentliche Versorgung so klein wie möglich zu halten. Hintergrund ist eine bislang einzigartige Kooperation der beteiligten Gewerkschaften im andauernden Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst und bei der Deutschen Bahn.

          Corinna Budras
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.
          Timo Kotowski
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Der Staatskonzern stellt deswegen am Montag den gesamten Fernverkehr ein. Auch im Nah-, Flug-, Schiffs- und Straßenverkehr werden massive Beeinträchtigungen erwartet. Die bundeseigene Autobahngesellschaft ist ebenfalls von den Ausständen betroffen, einige Tunnel müssen deshalb gesperrt werden.

          Die Auswirkungen des Arbeitskampfes werden schon am Sonntagabend bis hin zum Dienstagmorgen zu spüren sein, warnte die Deutsche Bahn und bat die Kunden, sich frühzeitig auf die Ausfälle einzustellen. Dafür bietet das Unternehmen „umfangreiche Kulanzregelungen“: Alle Fahrgäste, die ihre für Montag oder Dienstag geplanten Reisen verschieben möchten, können ihr Ticket bis einschließlich Dienstag, den 4. April, flexibel nutzen. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden.

          Mietwagen sind am Montag teuer

          Auch viele Busse und Straßenbahnen werden in ihren Depots bleiben müssen, was zu einem massiven Verkehrschaos im Berufsverkehr führen dürfte. Denn grundsätzlich entbindet ein Streik die Arbeitnehmer nicht davon, am Arbeitsplatz zu erscheinen. Sie müssen sich deshalb Alternativen überlegen – und haben dies nach Auskunft diverser Mobilitätsportale auch schon getan. Sowohl bei Mietwagen als auch bei Fernbussen stiegen die Buchungen und Suchanfragen deutlich, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Bei Mietwagen kam es zudem teilweise zu deutlichen Preissteigerungen.

          Der Fernbusanbieter Flixbus berichtete ebenfalls von einer „deutlich gestiegenen Nachfrage“ – insbesondere seit Donnerstagnachmittag, als die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Kooperation angekündigt haben. Man habe bereits in den vergangenen Tagen zusätzliche Busse auf zentralen Strecken für den Streiktag eingeplant, „um dem erhöhten Buchungsaufkommen gerecht zu werden und möglichst viele Reisende am Montag an ihr Ziel zu befördern“, sagte eine Sprecherin. Allerdings sind spätestens seit der Corona-Pandemie viele Berufsgruppen mit dem Arbeiten im Homeoffice vertraut. Womöglich werden sich deshalb viele Arbeitnehmer gar nicht erst auf den Weg machen, sondern werden von zu Hause aus arbeiten.

          Auch viele Flughäfen betroffen

          An neun Flughäfen hat Verdi Bodenkräfte zum Warnstreik aufgerufen. Betroffen sind Frankfurt, München, Hamburg, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Leipzig, Nürnberg und Stuttgart. Für den Flughafen München kommt die Besonderheit hinzu, dass dort auch der Sonntag schon ein Streiktag ist. An den betroffenen Orten werden nur wenige oder gar keine Flüge starten.

          Der Frankfurter Flughafen wies schon darauf hin, dass dort am Montag nicht nur keine Reisen angetreten werden können, auch Umstiege sind nicht möglich. Auch an den nicht bestreikten Flughäfen wie Berlin oder Hannover müssen Reisende am Montag mit Beeinträchtigungen rechnen. Vor allem Inlandsflüge dürften dort ausfallen, wenn am Zielflughafen gestreikt wird. Die Deutsche Lufthansa rät dringend von Anreisen zu bestreikten Flughäfen ab. Vor Ort werde man Reisenden „keine kurzfristigen Lösungen anbieten“ können.

          Wenn der Flug ausfällt, haben Reisende gemäß den EU-Fluggastrechten grundsätzlich Anspruch, von der gebuchten Airline eine schnellstmögliche Alternativbeförderung zu verlangen, die allerdings frühestens am Tag danach erfolgen dürfte. Sie dürfen den Flug auch kostenfrei stornieren. Ein Anspruch auf Entschädigung besteht allerdings nicht. Diese Zahlungen könnten Passagiere nur verlangen, wenn Personal der Fluggesellschaft streikt, nicht aber bei einem Ausstand am Flughafen.

          Der Warnstreiktag fällt zumindest in Bremen und Niedersachsen mit dem Osterferienbeginn zusammen und trifft auch Urlauber, die noch nicht am Wochenende aufgebrochen sind. Die Ferienflieger Condor und TUI fly arbeiteten am Freitagnachmittag noch an Sonderflugplänen. An vergangenen Warnstreiktagen hatten sie mitunter Flüge zu anderen Airports umgeleitet, zu denen teils Shuttlebusse eingesetzt wurden. TUI fly informierte, dass alle Pauschalreisenden, die ihre Handynummer und E-Mail-Adresse hinterlegt haben, ab 24 Stunden vor der Reise per SMS beziehungsweise Mail informiert würden.

          Groß dürften auch die Beeinträchtigungen bei der Versorgung wichtiger Einrichtungen sein. Die Gütertransportsparte DB Cargo werde derweil alles tun, um die Auswirkungen des Streiks so gering wie möglich zu halten, betonte die Deutsche Bahn. „Vor allem ist wichtig, dass die Versorgung von Kraftwerken, Seehäfen, Raffinerien und anderen zentralen Industrien sichergestellt wird.“ Um dies auch auf anderem Wege zu tun, sprach sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) dafür aus, auf das Fahrverbot für Lastwagen am Sonntag zu verzichten. Er bat die zuständigen Bundesländer am Freitag darum, von Kontrollen abzusehen.

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