Wie gespalten ist Deutschland?
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Hier herrscht kein Konsens: Proteste gegen Corona-Maßnahmen vor dem Reichstagsgebäude im August 2020 Bild: dpa
Nur eine kleine Minderheit glaubt an einen breiten Konsens in vielen Fragen. Gleichzeitig ist die Mehrheit überzeugt, dass die meisten denken wie sie selbst. Sind das schon amerikanische Verhältnisse?
Wenn Krisen eskalieren, wird in Deutschland rasch die Angst vor einer Radikalisierung beschworen. Dass die deutsche Gesellschaft gespalten, polarisiert ist, gilt als Tatsache und Gefahr für die Demokratie. Auch die Bevölkerung selbst ist mit überwältigender Mehrheit überzeugt, dass die Gesellschaft bei vielen Themen gespalten ist; nur 17 Prozent glauben, dass es bei vielen Fragen einen breiten Konsens gibt.
Die Frage ist nicht nur, ob diese Diagnose zutrifft, sondern auch, ob daraus Potential für Radikalisierung erwächst. Kontroversen, die auch sichtbar und teilweise hart ausgetragen werden, gehören zur Demokratie – Versuche, Kontroversen und Meinungen zu unterdrücken, zu Diktaturen. Entsprechend sind unterschiedliche Sichtweisen, Wertvorstellungen und Ziele per se alles andere als besorgniserregend. Sie können jedoch – wie gerade die Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft zeigt – auch in einer Demokratie zu einer Gefahr werden, wenn sich die Positionen unversöhnlich gegenüberstehen und aus unterschiedlichen Weltbildern und Wertvorstellungen Feindbilder erwachsen. Wenn dieser Prozess erst einmal weit fortgeschritten ist, lässt er sich nur noch schwer umkehren. Jahre vor der Wahl von Trump warnte Henry Kissinger in einem Vortrag in Deutschland, dass ihn die extreme Polarisierung in den USA zutiefst beunruhige.
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