Aus der Ukraine : Kriegsflüchtlinge sollen auf Bundesländer verteilt werden
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD am Freitag in Berlin Bild: EPA
Die vor dem Krieg geflüchteten Ukrainer sollen laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser im ganzen Land verteilt werden. Am Freitag waren bereits mehr als 100.000 angekommen – und die tatsächliche Zahl könnte noch höher liegen.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen nun doch zumindest teilweise nach bestimmten Regeln auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte am Freitag nach einer Besprechung mit den Innenministern der Länder und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände mit: „Wir haben heute Vormittag vereinbart, dass wir nun verstärkt nach dem Königsteiner Schlüssel diejenigen Geflüchteten auf die Länder verteilen, die nicht privat in Familien oder bei Bekannten untergebracht und versorgt werden.“
Bei der Verteilung von Asylbewerbern auf die Länder kommt der sogenannte Königsteiner Schlüssel zur Anwendung. Rechtlich möglich ist es, diesen auch für die Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge zu nutzen. Faeser hatte am vergangenen Mittwoch nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages noch erklärt, dies sei zunächst nicht erforderlich. Etliche Landesregierungen sehen das jedoch anders. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind laut Bundespolizei knapp 110.000 Kriegsflüchtlinge nach Deutschland gekommen. Nach UN-Angaben haben seit dem 24. Februar bereits mehr als 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine im Ausland Zuflucht gesucht. Die meisten blieben zunächst in den Nachbarländern.
„Bestmögliche Koordination“
Mit dem Deutschen Städtetag, dem Landkreistag sowie dem Städte- und Gemeindebund seien für die kommenden Tage weitere Gespräche vereinbart, um die Aufnahme und Versorgung der geflüchteten Menschen bestmöglich zu koordinieren, sagte Faeser. Ihr sei wichtig, dass die Geflüchteten schnell Sozialleistungen, medizinische Versorgung und Zugang zum Arbeitsmarkt erhielten, betonte die Ministerin. Dazu sei sie mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in engem Kontakt.
Die Bezeichnung Königsteiner Schlüssel geht zurück auf das Königsteiner Staatsabkommen der Bundesländer von 1949, mit dem die Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen geregelt wurde. Zahlreiche Abkommen und Vereinbarungen greifen inzwischen auf diesen Schlüssel zurück. Er setzt sich zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und zu einem Drittel aus der Bevölkerungszahl der Länder zusammen.
Die Zahl der in Deutschland eingetroffenen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat am Freitag die Marke von 100.000 Menschen überschritten. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mitteilte, wurden bis Freitagvormittag 109.183 Flüchtlinge registriert. Dies sind 13.270 mehr als am Donnerstag. Die tatsächliche Zahl könne aber „bereits wesentlich höher“ sein, erläuterte der Sprecher. Es gebe zwar verstärkte Kontrollen der Bundespolizei, aber keine festen Grenzkontrollen.
Insgesamt kommt weiterhin nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Menschen nach Deutschland. Seit Beginn der russischen Offensive am 24. Februar sind nach UN-Angaben über 2,3 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Der größte Teil befindet sich demnach im Ukraine-Nachbarland Polen. Es ist unklar, wie viele von ihnen nach Deutschland und weitere EU-Länder weiterreisen werden.
„Aufgabe könnte größer werden als 2015“
Der Deutsche Städtetag hat für eine faire Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine konkrete Regeln von Bund und Ländern angemahnt. „Die Herausforderung bleibt vor allem die faire Verteilung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, der „Passauer Neuen Presse“ vom Freitag. „Die Aufgabe für unser Land könnte größer werden als 2015“, fügte er hinzu. Dedy betonte zugleich: „Wir kriegen das irgendwie hin.“
Im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 waren mehr als eine Million Menschen unter anderem aus Syrien nach Deutschland gekommen. Dedy warnte davor, Bilder zu bemühen, „wie dass bei uns das Boot voll wäre“. Trotz des großen Andrangs gehe er davon aus, dass die Städte in der Lage sind, allen Menschen, die es wollen, Unterkunft und Hilfe anzubieten. „Wir wollen alles dafür tun, damit wir das schaffen. Zudem haben wir eine sehr große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.“
Die Flüchtlinge sollten über das ganze Land verteilt untergebracht werden. „Es braucht eine solidarische Aktion aller Städte und Gemeinden. Das aber setzt voraus, dass der Bund und die Länder bestimmte Verteilregeln in Kraft setzen“, sagte Dedy. Das sei bisher noch nicht geschehen. Als große Herausforderung sieht der Städtetagsvertreter die hohe Zahl von Kindern und unbegleiteten Jugendlichen: „Sie alle müssen irgendwann in Schulen und Kitas kommen.“ Vor allem die unbegleiteten Minderjährigen, die derzeit verstärkt einreisen, „brauchen besondere Betreuung“.
Dedy bekräftigte die Forderung des Städtetags nach einem raschen Flüchtlingsgipfel. Bereits davor erwarte er aber „eine Verständigung, was wir angesichts der unsicheren Dauer des Krieges an Unterbringungskapazitäten vorhalten wollen“. Die Städte und Gemeinden dürften nicht auf den Kosten sitzen bleiben.
Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) sagte am Freitag, es sei gut, dass zu Fragen der Unterbringung von Flüchtlingen inzwischen eine Abstimmung mit der Bundesregierung laufe. Es sei wichtig, „dass wir das besser hinbekommen“. Deshalb müsse über die Versorgung der Flüchtlinge auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz kommende Woche diskutiert werden.
CDU-Chef Friedrich Merz forderte am Donnerstagabend, dass Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert werden. Deutschland habe Erfahrungen aus den Jahren 2015/16, darunter seien auch schlechte, sagte Merz in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Die nun ankommenden Flüchtlinge kämen visafrei und hätten ein Aufenthaltsrecht, sagte Merz, der auch Fraktionschef im Bundestag ist. „Aber ich finde, wir müssen trotzdem wissen, wer da kommt.“ Es gebe „die berechtigte Vermutung“, dass nicht nur Menschen aus der Ukraine kämen. Deswegen solle die Bundesregierung dafür sorgen, dass eine Registrierung stattfinde.