Deutscher Städtetag fordert : „Die Länder müssen aus den Puschen kommen“
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Wenn man die Vorgaben des Normenkontrollrats nimmt, wäre es ein gutes Gesetz. Es setzt das politische Ziel nachhaltig um, es ist „vollzugstauglich“, lässt sich also problemlos in die Tat umsetzen, und es ist „belastungsneutral“, schafft für den Bürger also keine unnötige Bürokratie. Kann aber das Gute-Kita-Gesetz ein gutes Gesetz sein, wenn die Finanzierungszusage des Bundes 2022 endet und danach alles offen ist?
Der Bund stellt sich bei solchen Gelegenheiten auf den Standpunkt: Erstens nehmen die Kommunen mehr Steuern ein, zweitens hat noch keine Bundesregierung die Kommunen so sehr unterstützt. Was sagen Sie dazu?
Da werden wir wohl nie ganz ohne Streit sein. Denn man muss erstens immer sehen, welche zusätzlichen Aufgaben wir von Bund und Ländern zugeteilt bekommen. Und zweitens bestehen die Zahlen, die der Bund dann vorweist, oft nur in den Anschubfinanzierungen. Das ist ein Anfüttern, es sind Finanzspritzen, und anschließend müssen die Kommunen sehen, woher sie das Geld nehmen. Die Finanzierung läuft aus, die Aufgaben bleiben aber für die Kommunen bestehen.
Die Beispiele dafür häufen sich. Sehen Sie eine Möglichkeit, diesen wiederkehrenden Teufelskreis zu durchbrechen?
Das wäre schön, aber ich sehe es bisher nicht. In den beiden Föderalismuskommissionen, die wir hatten, standen sich Bund und Länder selbstbewusst gegenüber und wollten ihr Handeln wieder klarer voneinander abgrenzen. In der Praxis funktioniert es aber anders. Die Themensetzung und Initiativen gehen sehr stark vom Bund aus. Der Bundestag will natürlich gestalten, jedes Parlament will das. Die Koalitionsverträge werden immer konkreter. Die Länder schauen sich das an und wissen ganz genau, wo sie nur abwarten müssen. Um auf die Ganztagsbetreuung zurückzukommen: Wer die Sache in den Ländern an sich gezogen hätte, wäre verrückt gewesen. Er wusste durch die bundespolitische Diskussion der vergangenen Jahre doch, dass der Bund es machen wollte und auch etwas dafür bezahlen würde.
Das stößt nur gelegentlich an die Grenzen der Verfassung, wo Bund und Länder immer noch klare Kompetenzen zugeordnet werden.
Aber am „Digitalpakt“ lässt sich sehen: Dann wird die Verfassung angepasst, weil die Aufgabenteilung so lupenrein in der Praxis nicht funktioniert. Denn ohne den Bund kämen die Länder bei gesamtgesellschaftlichen Aufgaben nicht so voran, wie sie wollen und sollen.
Fördert aber nicht genau dieses Denken nach Opportunität das Hin- und Herschieben von finanzpolitischer Verantwortung?
Immer wieder ein neuer temporärer Fördertopf, das funktioniert nicht. So denkt aber die Bundespolitik. Der Bund hat einen falschen Blick auf die Städte. Dort gibt es niedrigschwellige, stadtteilbezogene Sozialpolitik. Da geht es um Frauenhäuser, um Pflegeberatung für ältere Menschen oder den Zugang zu bildungsfernen Eltern, um deren Kindern zu helfen. Diese Sozialpolitik muss immer gemacht werden, nicht nur dann, wenn es gerade Fördermittel gibt. Es muss dafür eine langfristige Grundfinanzierung geben, nicht eine kurzatmige Finanzierung, die mal da, mal dort greift. Die Grundfinanzierung stellt man aber nur über Steueranteile oder Zuweisungen in den Finanzausgleichen sicher.
Das will aber der Bund nicht, weil er dann Anteile abgeben müsste und das wiederum heißt: Er kann nicht mehr so viel bestimmen.
Das beruht auf dem zweiten falschen Blick auf die Städte: Es fehlt mir das Zutrauen des Bundes, dass vor Ort vernünftige Lösungen gefunden werden. Da könnte man mit Korridoren eine vernünftigere Politik machen als mit genauen Vorgaben und Vorschriften. Warum muss der Bund zum Beispiel genau definieren, wann und wo eine Stadt eine Tempo-30-Zone einrichten kann? Warum kann ich das nicht der örtlichen Politik überlassen?