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Deutsche Islamkonferenz : Wohlfahrt statt Extremismus

Im Gespräch: Bekir Alboga (Ditib), Innenminister de Maizière und Ayman Mazyek (Zentralrat der Muslime) Bild: dpa

Der Neustart der Islamkonferenz hat mit einer alten Konstruktionsschwäche zu kämpfen. Die Debatte, wie sehr Sicherheitsfragen den Dialog mit den Muslimen bestimmen sollen, wird wieder aufgerollt.

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          Beim ersten Draufschauen ist überall eitel Freude. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat der Deutschen Islamkonferenz (DIK) neues Leben eingehaucht, kaum dass er in sein altes Amt zurückgekehrt ist. Der Zentralrat der Muslime dankt, Unionspolitiker nennen es richtig, den Dialog mit den muslimischen Verbänden fortzusetzen, die Diakonie Deutschland bietet ihre Hilfe beim Aufbau eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes an, wie de Maizière es anregt. Selbst kritische Stimmen aus der Opposition sagen, schon dass es weitergehe mit der DIK, sei ein Erfolg.

          Eckart Lohse
          Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin.

          Doch auch einen Tag, nachdem der CDU-Mann de Maizière dargelegt hat, wie er sich den Neustart vorstellt, wird beim zweiten Hinsehen deutlich, dass eine der Konstruktionsschwächen des 2006 von Wolfgang Schäuble eingerichteten Dialogforums zwischen Staat und Muslimen noch nicht aus der Welt ist. Gerade die zweite „Runde“ der Islamkonferenz unter Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war geprägt von dem Zwist, wie sehr Sicherheitsfragen den Dialog mit den Muslimen bestimmen sollten.

          Die Gründung islamischer Wohlfahrtsverbände

          Cemile Giousouf, CDU-Bundestagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte ihrer Fraktion, erinnert daran, dass das Thema Sicherheit und Extremismus „auch in Absprache mit den muslimischen Verbänden“ einst in den Mittelpunkt der Arbeit der DIK gerückt worden sei. „Andererseits entstand so der Eindruck bei vielen Muslimen, ihr Leben in Deutschland werde – auch durch die Islamkonferenz – reduziert auf Fragen von Sicherheit und Extremismus.“ Sie sei daher froh, dass jetzt andere Themen, wie die Frage der Wohlfahrt, im Mittelpunkt der Islamkonferenz stünden. Die Idee, einen oder mehrere islamische Wohlfahrtsverbände zu gründen, hält sie für „zukunftsweisend“.

          Die Stellungnahme des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Stephan Mayer, eines CSU-Abgeordneten aus Altötting, hat einen anderen Zungenschlag. Es sei „ein richtiger Schritt“, über die Gründung islamischer Wohlfahrtsverbände nach dem Vorbild der von Diakonie oder Caritas nachzudenken. Doch gibt Mayer zu bedenken, die inhaltliche Neuausrichtung dürfe nicht nur an den Wünschen der islamischen Verbände ausgerichtet werden. Politik und muslimische Vertreter müssten auch weiterhin über die Rolle der Frau und die Extremismusprävention sprechen. „Wer Probleme wie den Islamismus ausblendet, erschwert auch die erfolgreiche Integration der überwältigenden Mehrheit der friedlichen und integrationsbereiten Muslime.“

          Neue Strukturen und weniger medienwirksame Öffentlichkeit

          Immerhin fordert Mayer nicht, dass innerhalb der DIK über die Sicherheitsthemen gesprochen werde. De Maizière hatte die Debatte über die „öffentliche Sicherheit“ ausdrücklich in „andere dafür zuständige Gremien außerhalb der DIK“ verlagert.  Sogar der Islamrat, der wegen seiner Nähe zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs in de Maizières erster Amtszeit von der DIK ausgeschlossen worden war, darf wieder mitmachen. Es soll aber nicht nur einem islamischen Wohlfahrtsverband auf die Beine geholfen werden, der soziale Dienstleistungen von Kinderbetreuung bis Altenpflege anbieten kann.

          Es wird auch um bessere Zusammenarbeit zwischen Staat und islamischen Organisationen bei der Religionsausübung der Muslime gehen – auf der Grundlage des deutschen Religionsverfassungsrechts, wie de Maizière betont. Mit neuen Strukturen und etwas weniger medienwirksamer Öffentlichkeit wollen Bund, Länder und Kommunen auf der einen Seite, muslimische Verbände und Migrantenorganisationen auf der anderen künftig arbeiten. Schon kommt aus dem Parlament der Ruf, man wolle auch mitmachen. Volker Beck, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, fordert, bei der Islamkonferenz solle auch der Bundestag einbezogen werden.

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