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Deutsche Ausbilder in Libyen : „Der BND hätte davon wissen müssen“

  • -Aktualisiert am
Bernd Schmidbauer: „Ich hätte davon gewusst”

Bernd Schmidbauer: „Ich hätte davon gewusst” Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Der frühere Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt hat dem Bundesnachrichtendienst in der Libyen-Polizei-Affäre Versäumnisse vorgeworfen. „Für den BND ist das keine gute Visitenkarte“, sagte Bernd Schmidbauer im Gespräch mit FAZ.NET.

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          Der frühere Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, hat dem Bundesnachrichtendienst (BND) in der Affäre um die Ausbildung libyscher Beamter durch deutsche Polizisten Versäumnisse vorgeworfen. „Er hätte davon wissen müssen“, sagte Schmidbauer gegenüber FAZ.NET. Unter Bundeskanzler Helmut Kohl war Schmidbauer als Staatsminister im Kanzleramt für die Koordination der Geheimdienste verantwortlich.

          „Für den BND ist das keine gute Visitenkarte“, sagte Schmidbauer am Montag. Das Dementi des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der dem libyschen „Revolutionsführer“ Muammar al Gaddafi Zeitungsberichten zufolge Polizeihilfe zugesagt haben soll, bezeichnete er als zweifelhaft.

          „Ich hätte davon gewusst“

          „Zu meiner Zeit wäre das zumindest dem inneren Zirkel nicht verborgen geblieben“, sagte Schmidbauer, der zwischen 1991 und 1998 im Kanzleramt saß. „Ich hätte es entweder gewusst oder aber nachgefragt, wer diese Maßnahme initiiert hat.“

          „Entweder hat der BND etwas gewusst oder er hat geschlafen”
          „Entweder hat der BND etwas gewusst oder er hat geschlafen” : Bild: ASSOCIATED PRESS

          Zugleich äußerte der heute im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) zur Überwachung der Geheimdienste vertretene Schmidbauer Unverständnis über die „Doppelmoral“, die in der Affäre zutage trete. So habe es sich bei der Ausbildungshilfe nicht um „Aggressivtraining“ gehandelt, sondern um „Abwehrmaßnahmen“. Diese dienten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht zuletzt den Interessen der Bundesrepublik.

          „Nicht vom BND initiiert“

          Er gehe davon aus, das die Verantwortlichen für die Affäre nicht in der Bundesregierung, sondern in Nordrhein-Westfalen zu suchen seien. „Ich gehe davon aus, dass der BND das nicht initiiert hat - und es nicht von ihm ausging.“

          Auch ein Kompensationsgeschäft für die von Gadaffi vermittelte Freilassung der Familie Wallert, die sich im Jahr 2000 auf den Philippinen in Geiselhaft befand, bezeichnete Schmidbauer als unwahrscheinlich. Er selbst war damals in die Verhandlungen involviert und habe von libyscher Seite keine Forderungen nach Gegenleistungen erhalten.

          Schmidbauer hofft, dass bei der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) am Mittwoch Licht in die Affäre um die deutsche Ausbildungshilfe für libysche Sicherheitskräfte kommen werde. Auch andere Politiker drängten am Montag auf eine rasche Aufklärung.

          Bundesregierung bestreitet Vereinbarung mit Libyen

          Bundesministerien oder Bundesbehörden waren nach Regierungsangaben „zu keinem Zeitpunkt“ am Zustandekommen oder der Realisierung der umstrittenen Schulung libyscher Sicherheitskräfte beteiligt. Zudem sei kein aktiver Bundesbeamter oder Soldat an solchen Maßnahmen beteiligt gewesen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin.

          Die Ausnahme sei ein Hauptfeldwebel gewesen, aus dem das Verteidigungsministerium bereits Konsequenzen gezogen habe. Ein Sprecher des Vereidigungsministeriums ergänzte, gegen den Betroffenen laufe ein Disziplinarverfahren.Über die Rolle des Bundesnachrichtendienstes BND wollte sich Wilhelm nicht äußern. Darüber werde das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium informiert, sagte er.

          Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesregierung sollten „alle Karten auf den Tisch legen“, forderte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU). Die FDP will Fraktionsvize Rainer Brüderle zufolge einen Untersuchungsausschuss beantragen, falls das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) nicht rückhaltlos aufgeklärt wird. „Wenn die offenen Fragen nicht rückhaltlos im Parlamentarischen Kontrollgremium geklärt werden, muss man sich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses offen halten.“

          Verteidigungsministerium wusste Bescheid

          Die FDP-Bundestagsfraktion beantragte am Montag in Berlin eine Aktuelle Stunde. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jürgen Koppelin, sagte: „Wir möchten wissen, was die Bundesregierung über die Tätigkeit deutscher Sicherheitskräfte in Libyen weiß, und wie sie das politisch bewertet.“

          Das Bundesverteidigungsministerium weiß seit zwei Jahren darüber Bescheid, dass ein Hauptfeldwebel versuchte, Bundeswehrsoldaten für die Ausbildung libyscher Sicherheitsdienste anzuwerben. Der in Berlin stationierte Feldjäger sei im April 2006 des aktiven Dienstes enthoben worden, nachdem seine Anwerbe-Aktivitäten aufgeflogen waren, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag vor Journalisten in Berlin.

          Neben dem Hauptfeldwebel sollen rund 30 frühere Polizeibeamte in die Affäre verstrickt sein, darunter ehemalige Angehörige von Elite-Einheiten. Sie sollen als Mitarbeiter der deutschen Firma ohne Genehmigung und gegen Bezahlung libysche Sicherheitsleute geschult haben. Gegen einen von ihnen ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen.

          Volmer: Libyen wollte keine Gegenleistung

          Nach Angaben des ehemaligen Staatsministers im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Grüne), wurden im Zusammenhang mit der Befreiung der auf Jolo festgehaltenen deutschen Geiseln von Libyen ihm gegenüber nie Wünsche nach einer deutschen Ausbildungshilfe geäußert. Der Grünen-Politiker war von 1998 bis 2002 Staatsminister und bemühte sich unter anderem intensiv um eine Normalisierung der Beziehungen Libyens zum Westen.

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