Der Fall Drygalla : Innenminister fordert Aufklärung in der Ruder-Affäre
- -Aktualisiert am
Nadja Drygalla am Sonntag in Rostock, neben ihr Walter Arnold, der Vereinsvorsitzende ihres Heimatvereins Olympischer Ruder-Club Rostock (ORC). Bild: dpa
In der Affäre um die Ruderin Nadja Drygalla hat Innenminister Friedrich gründliche Aufklärung gefordert. Es gebe „keinen Platz im Sport für extremistisches Gedankengut“. Nadja Drygalla distanzierte sich davon.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat in der Affäre um die Rostocker Ruderin Nadja Drygalla eine gründliche Aufklärung gefordert. „Extremistisches Gedankengut hat im Sport keinen Platz. Denn Sportler sind auch Vorbilder“, deshalb müsse der Sachverhalt gründlich geklärt werden, sagte der auch für Sport zuständige Minister. Die 23 Jahre alte Nadja Drygalla ist mit dem mutmaßlichen Rechtsextremen Michael Fischer liiert und hatte das olympische Dorf am Freitag angeblich freiwillig verlassen.
Am Sonntag distanzierte Frau Drygalla sich von rechtsextremem Gedankengut. Sie habe auch keine Verbindung zu dem Freundeskreis ihres Partners gehabt, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Auch sei ihr Partner kein Mitglied der NPD mehr und habe „persönlich mit dieser ganzen Sache gebrochen und sich verabschiedet“.
Der Sportausschuss des Bundestages will sich vermutlich noch im September mit dem Fall beschäftigen, sagte die Vorsitzende des Ausschusses Dagmar Freitag (SPD) in Berlin. Sie zeigte sich schockiert über die Berichte. Es müsse nun aufgeklärt werden, wer wann etwas gewusst habe, äußerte sie. Der Fall offenbare ein Problem in der Kommunikationsstruktur des Spitzensports. Es könne nicht sein, dass ein Laufbahnberater an einem Olympiastützpunkt nichts davon erfahre, dass eine Athletin den Polizeidienst wegen ihrer politischen Gesinnung quittiere. Das müsse doch auffallen, „und dann stellt man doch Fragen, warum das so ist, man spricht mit dem Bundestrainer oder dem Dachverband“, sagte Frau Freitag.
Nadja Drygalla war nach einem Gespräch mit ihrer Dienststelle wegen ihrer privaten Kontakte zu Fischer im Herbst 2011 aus dem Polizeidienst ausgeschieden. Damit die sportliche Leistung bei Athleten ohne Einkommen nicht leidet, hat der Sport Laufbahnberater bei den vom Staat finanzierten Olympiastützpunkten engagiert. Sie sollen sich um die Absicherung kümmern, Kontakte knüpfen, Stellen vermitteln. Frau Drygalla erhielt nach ihrem Rückzug von der Polizei einen 400-Euro-Job im Ruderverband Mecklenburg-Vorpommern.
DRV: Erst am Donnerstag davon erfahren
Davon haben nicht nur die Ruderer gewusst, wie der Präsident des Verbandes, Hans Sennewald bestätigte. Der frühere Olympiaruderer deutete auch an, dass Mitglieder des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV) informiert waren. Es sei über den Fall gesprochen worden.
Der DRV behauptet, erst am vergangenen Donnerstag von der Beziehung seiner Athletin zu dem Rechtsradikalen erfahren zu haben. Er ist Arbeitgeber der Bundestrainer und schlägt die Athleten zur Nominierung für die Olympischen Spiele vor. Die Entscheidung trifft der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Dessen Generaldirektor, der frühere Grünen-Politiker und ehemalige stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Michael Vesper, ist wohl tatsächlich erst am Donnerstag in London unterrichtet worden. Er überzeugte Frau Drygalla in einem eineinhalbstündigen Gespräch, das Olympische Dorf zu verlassen. Die Wut beim DOSB über das Verhalten seiner Mitglieder ist groß. Denn unter anderem kannte auch der Landessportbund von Mecklenburg-Vorpommern den Fall, sah sich aber nicht genötigt, den DOSB als seinen Dachverband zu unterrichten.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) machte den organisierten Sport verantwortlich. Es sei sehr ärgerlich, dass dieser Fall nun einen Schatten auf die Olympischen Spiele werfe. Caffier, bis zum Austritt von Frau Drygalla aus dem Polizeidienst deren oberster Dienstherr, sagte, für die Entsendung nach London sei nicht das Innenministerium, sondern der jeweilige Sportverband verantwortlich.
Caffier aber hätte die Chance gehabt, dem Sport auf informellen Weg über den heiklen Fall zu informieren. Er sitzt im Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping-Agentur, zusammen mit dem DOSB-Generaldirektor Vesper. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Thomas Bach zeigte sich „erbost“ über die Kommentare der Politiker. Es sei „inakzeptabel, die Aussagen und das Vorgehen der Mannschaftsleitung in Zweifel zu ziehen“. Der Vorsitzende von Drygallas Heimatverein äußerte, es sei „erbärmlich“, dass nun „ein junges Mädchen in Sippenhaft genommen wird“. Es wird damit gerechnet, dass die sportliche Karriere Nadja Drygallas mit ihrer Abreise aus London beendet ist. Frau Drygalla hingegen sagte, sie wolle auch weiterhin rudern. „Natürlich möchte ich mit dem Sport weitermachen“, sagte die 23 Jahre alte Sportlerin. „Ich wünsche mir, dass ich meine Pause in Ruhe beginne und dann Anfang September wieder anfangen kann.“ Nach den Sommerspielen in London soll es weitere Gespräche mit dem Deutschen Ruderverband geben. Frau Drygalla hob auch hervor, dass es ihre Entscheidung gewesen sei, das olympische Dorf zu verlassen. Sie habe Vesper diesen Vorschlag im Verlauf des gemeinsamen Gesprächs unterbreitet. „Mir geht es nicht gut, die letzten Tage waren ziemlich anstrengend und ziemlich überraschend“, fügte sie an.