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Datenaustausch mit Amerika : Folgen einer Politik der ruhigen Hand

  • -Aktualisiert am

Im Kabinett: Gerhard Schröder mit dem damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier, im Hintergrund der Staatsminister im Bundeskanzleramt Rolf Schwanitz (Archivbild November 2003) Bild: picture-alliance / dpa

Wichtige Absprachen über den Datenaustausch mit Amerika wurden unter Kanzler Gerhard Schröder getroffen. 2002 vereinbarte er mit George W. Bush, die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste zu verbessern. Diese Fundsache dürfte die amtierende Führung im Bundeskanzleramt freuen.

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          Anfang des Jahres 2002, als Gerhard Schröder (SPD) und George W. Bush „noch gut miteinander konnten“, war der deutsche Bundeskanzler zu Besuch beim amerikanischen Präsidenten. Es galt Schröders Wort von der „uneingeschränkten Solidarität“ mit Amerika - ausgesprochen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und in Washington.

          Die beiden gaben eine Erklärung ab. Sie stimmten, hieß es, darin überein, dass Sicherheitsexperten der beiden Staaten über die Verbesserung der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste beraten sollten. Mit Freude dürfte die amtierende Führung im Bundeskanzleramt diese Fundsache zur Kenntnis genommen haben - kann sie doch als die eigentliche Quelle einer Gesetzesänderung gewertet werden, die dieser Tage in den Debatten über die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der amerikanischen National Security Agency (NSA) eine herausgehobene Rolle spielte. Der BND habe, was nun im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages nochmals bestätigt wurde, der NSA zwei „Datensätze“ übermittelt - mit personenbezogenen Daten. Zwischenzeitlich war die Aufregung groß.

          Rot-grünes Kabinett billigte Gesetzentwurf

          Die Beratungen der Experten zogen sich hin. Auch die deutsch-amerikanischen Auseinandersetzungen über den Irak-Krieg mögen die Sache verzögert haben. Erst im Mai 2005 jedenfalls beschloss das rot-grüne Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des G-10-Gesetzes, das die Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses regelt. Ein zusätzlicher Paragraph 7a sollte eingefügt werden, in dem es dem BND erlaubt werden sollte, unter bestimmten Bedingungen selbst erhobene personenbezogene Daten „an die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betrauten ausländischen öffentlichen Stellen“ übermitteln zu dürfen.

          Kurze Zeit nach diesem Kabinettsbeschluss entschied sich Bundeskanzler Schröder, die Bundestagswahl vorzuziehen. So kam es, dass in der zu Ende gehenden Wahlperiode der Gesetzentwurf nicht zur ersten Lesung in den Bundestag kam. Weil er bloß ein Kabinettsbeschluss war, verfiel er nach der Wahl auch nicht dem Prinzip der Diskontinuität. Anfang 2006, als die große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) regierte, gab es die erste Lesung. Dann lag das Gesetz, auch wegen der datenschutzrechtlichen Bedenken der SPD, in den Bundestagsausschüssen. Im Dezember 2008 unternahm der SPD-Berichterstatter Dieter Wiefelspütz einen Vermittlungsversuch. Im Februar 2009 dann erteilte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ihre Zustimmung. Im August 2009 trat das Gesetz in Kraft.

          Seither kann auch der BND personenbezogene („individuelle“) Daten ins Ausland übermitteln, was bis dahin dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorbehalten war, und worüber Fachleute und Präsidenten der Dienste schon langwierige juristische Debatten geführt hatten. Es hieß, der BND-Präsident Gerhard Schindler habe - wegen eines aktuellen Falles - Daten auf der Grundlage des den Verfassungsschutz betreffenden Paragraphen übermitteln wollen. Doch hätte dann eine betreffende Dienstanweisung geändert werden müssen; nicht einmal ein Antrag darauf sei gestellt worden.

          BND-Präsident Gerhard Schindler auf dem Weg Mitte Juli 2013 auf dem Weg zur Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags
          BND-Präsident Gerhard Schindler auf dem Weg Mitte Juli 2013 auf dem Weg zur Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags : Bild: dpa

          In dem Fall der Entführung eines Deutschen vor knapp zwei Jahren, so schilderte es der Kanzleramtsminister Ronald Pofalla jetzt nach der Sitzung des PKGr, wurde der neue Paragraph 7a angewendet. Es kam zur Übermittlung jener „zwei Datensätze“ an die NSA, was in den vergangenen Tagen für Wirbel gesorgt hatte. Ein Beleg schien gefunden, deutsches Datenschutzrecht werde vom BND ausgehebelt, und die Zusammenarbeit der Dienste sei noch enger als vermutet.

          Bei den beiden „Datensätzen“ soll es sich um Aufzeichnungen von Telefongesprächen des - immer noch - Entführten handeln. Aus den Bemerkungen Pofallas nach der PKGr-Sitzung geht hervor, dass nur die NSA die Mittel zur Verfügung habe, aus den Aufzeichnungen Rückschlüsse zu ziehen. Das sei alles rechtmäßig gewesen, sagte Pofalla am Donnerstag. Das hieß: Die sogenannte G-10-Kommission und auch das PKGr seien informiert worden. Schindler also blieb gelassen. Dass er persönlich im Gespräch mit amerikanischen Partnern nicht für eine „laxere“ Auslegung des deutschen Datenschutzes eingetreten sei, hatte er Pofalla schriftlich versichert - zu versichern gehabt.

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