Viele müssen jetzt zuzahlen : Lauterbach verteidigt neue Corona-Testverordnung
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Corona-Testzentrum in Leipzig. Bild: dpa
Seit diesem Donnerstag gelten neue Regeln für Corona-Tests. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger warnt vor flächendeckenden Schulschließungen. Diese seien ein Fehler gewesen.
Die Zeit der kostenlosen Corona-Schnelltests ist für die meisten Menschen vorbei. Von diesem Donnerstag an gibt es sogenannte Bürgertests nur noch für bestimmte Personengruppen. Zu ihnen gehören erstens jene, die über ein erhöhtes Risiko einer schweren Erkrankung verfügen, zweitens Kontaktpersonen von besonders Gefährdeten - zu ihnen zählen auch Besucher in Krankenhäusern und Pflegeheimen - und drittens jene, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können - zu ihnen zählen neben Kindern unter fünf Jahren auch Frauen im ersten Drittel ihrer Schwangerschaft.
Alle anderen müssen für Schnelltests in Testzentren und Apotheken künftig drei Euro zuzahlen. Auf die neue Corona-Testverordnung hatten sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zuvor geeinigt. Lauterbach bezifferte die Kosten für Bürgertests, die bislang stets vom Bund übernommen werden, auf zuletzt etwa eine Milliarde Euro pro Monat.
Lauterbach verteidigte die neue Regelung am Donnerstag. Den bürokratischen Aufwand halte er für „überschaubar“, sagte Lauterbach im ZDF. Wer sich weiterhin kostenlos testen lassen will, muss auf einem Formular bestätigen und unterschreiben, dass er oder sie die Kriterien erfüllt. Es wäre „gezielter Betrug, wenn man lügt“, sagte der Minister. Die Möglichkeit des Betrugs gebe es immer. „Man ist immer auf die Ehrlichkeit der Bürger angewiesen", sagte Lauterbach. Wer sich zum Beispiel vor dem Besuch einer Veranstaltung oder eines Familienfests testen lassen möchte, muss künftig den Eigenanteil bezahlen.
Auf diese Weise sollen die Kosten der Tests sinken, zudem soll Missbrauch durch Testcenter eingegrenzt werden. In mehreren Fällen ermitteln Staatsanwaltschaften, weil Teststellenbetreiber fiktive Tests abgerechnet haben sollen. Laut Berichten gehen Ermittler von einer Betrugssumme in Höhe von etwa 1,5 Milliarden Euro aus.
Ärztevertreter kritisierten die neue Regelung. „Wenn eine derart komplexe Neuregelung einen Tag vor deren Wirksamkeit beschlossen und verkündet wird, dann ist doch das Chaos für alle Beteiligten absehbar“, sagte Marco Hensel von der Ärztevereinigung Hartmannbund; er leitet dort den Arbeitskreis ambulante Versorgung. Es den Praxen zu überlassen, sich mit Blick auf einen relevanten Testbedarf mit den Patienten in Selbsterklärungsprozesse verwickeln zu müssen, sei für das ohnehin strapazierte Praxispersonal inakzeptabel, sagte Hensel. Auch das Einsammeln von Geld für fällige Testgebühren erinnere an die Zeiten der Praxisgebühr. „Das ist schlicht weltfremd und ein Scheitern mit Ansage.“
In Deutschland sind die Corona-Zahlen abermals gestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Donnerstag mit 667 Fällen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche an. Eine Woche zuvor lag die Inzidenz bei 533.
Mit welchen Corona-Regeln die Regierung auf den Herbst zusteuert, hängt auch vom Inhalt eines Gutachtens ab, das an diesem Freitag in Berlin vorgelegt werden soll. Ein Sachverständigenrat war beauftragt worden, die in der Vergangenheit ergriffenen Schutzmaßnahmen zu bewerten. Aus den Ergebnissen des Berichts sollen „so schnell wie möglich“ Konsequenzen für die Maßnahmen im Herbst gezogen werden, wie ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Mittwoch gesagt hat.
Minister Lauterbach dämpfte die Erwartungen an das Papier. Dieses sei „nur ein weiterer Baustein“ und keine Blaupause für die Maßnahmen, die Bundesregierung für den Herbst beschließen will, wenn abermals mit deutlich steigenden Infektionszahlen zu rechnen sei. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat in diesem Zusammenhang davor gewarnt, zur Eindämmung des Virus abermals die Schulen zu schließen. „Im Ergebnis waren die flächendeckenden Schulschließungen ein Fehler, den wir nicht wiederholen dürfen“, sagte Stark-Watzinger der Deutschen Presse-Agentur.
Wie die Fachleute die Schließungen wissenschaftlich beurteilen, war da noch nicht bekannt; insbesondere die FDP drang in der Vergangenheit darauf, erst das Gutachten abzuwarten, ehe über weitere Schritte gesprochen werden soll. Stark-Watzinger sagte gleichwohl, es dürfe „keine flächendeckenden Schulschließungen mehr geben“. Zur Begründung verwies sie auf „gravierende Nebenwirkungen“ der Schließungen wie Gewichtszunahme, psychische Auffälligkeiten und Vereinsamung sowie auf teils deutliche Lernrückstände bei Kindern und Jugendlichen.
Die Zufriedenheit der Bürger mit dem Gesundheitssystem ist seit dem Beginn der Corona-Pandemie gesunken. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Befragung für die Krankenkasse AOK. Im Sommer des ersten Corona-Jahres 2020 hatten noch 77 Prozent der Befragten angegeben, dass die Versorgung in ihrer Region sehr gut oder gut funktioniere. Im Mai dieses Jahres sagten das nur noch 62 Prozent. Die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem insgesamt ging von 85 auf 78 Prozent zurück. Man müsse aufpassen, dass sich „der Trend nach unten nicht fortsetzt“, sagte Carola Reimann, die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. „Offenbar machen sich verstärkt Erfahrungen aus der zweiten bis vierten Corona-Welle bemerkbar.“