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Merkel, Scholz und Länderchefs : Wie lässt sich die vierte Welle eindämmen?

Der voraussichtliche künftige Bundeskanzler Olaf Schulz (SPD) am 18. November mit Angela Merkel und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) in Berlin. Bild: dpa

Zuletzt wurden die Rufe nach einem kurzfristigen Spitzengespräch der Ministerpräsidenten mit Scholz und Merkel immer lauter. Am Dienstag soll es nun stattfinden. Dabei wird es auch um ein neues Koordinierungsgremium gehen.

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          Unter dem Druck einer täglich dramatischer werdenden Corona-Situation haben Bund und Länder beschlossen, sich schon früher wieder zu besprechen als ursprünglich geplant. So wurde am Montag in Regierungskreisen berichtet, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der Vizekanzler und mutmaßliche Nachfolger Merkels, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), die Ministerpräsidenten der Länder und einige weitere Bundesminister am Dienstagmittag zu einem Informationsgespräch treffen wollen.

          Peter Carstens
          Politischer Korrespondent in Berlin
          Eckart Lohse
          Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin.
          Markus Wehner
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Das Gespräch wurde nicht als Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) bezeichnet, wie sonst üblich. Offenbar bleibt es auch bei dem regulären MPK-Treffen am 9. Dezember. Bei der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz in der vorvorigen Woche war eine Überprüfung aller Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für dieses Datum vereinbart worden. Die Lage ist jedoch inzwischen so ernst, dass Bund und Länder überzeugt sind, früher handeln zu müssen.

          Ob und welche über die bisherigen hinausgehenden Maßnahmen am Dienstag beschlossen werden, ist unklar, wie es aus Länderkreisen hieß. Jedenfalls will die Runde darüber beraten, wie auf die für Dienstag erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Bundesnotbremse zu reagieren ist. Die Bundesnotbremse war im April 2021 mit dem vierten Bevölkerungsschutzgesetz in Kraft getreten. Sie regelte bis zum Juni bundesweit einheitlich die Maßnahmen, wenn in einzelnen Landkreisen die Sieben-Tage-Inzidenzen der Corona-Infektionen bestimmte Schwellenwerte überschritten. Möglich waren Kontaktbeschränkungen oder Ausgangssperren.

          Die Bund-Länder-Runde wird auch über die Arbeit des Corona-Krisenstabes im Bundeskanzleramt sprechen, dessen Einrichtung die Ampelparteien beschlossen hatten. Leiter des Krisenstabs wird Carsten Breuer, Generalmajor der Bundeswehr, der seit anderthalb Jahren den Einsatz von Soldaten bei der Corona-Hilfe koordiniert und leitet. Breuer hat laut Informationen aus Regierungskreisen schon am Montag seinen Schreibtisch im Kanzleramt bezogen. Er verfügt dort bereits über einen kleinen Stab, die Rede ist von einer Handvoll Mitarbeitern. Merkel hat die schnelle Besetzung des Postens im Kanzleramt zugelassen. Sie wolle damit bekräftigen, dass ihre geschäftsführende Regierung gemeinsam mit der kommenden Regierung unter Scholz agieren will, um gegen die vierte Welle der Corona-Pandemie vorzugehen.

          Breuer soll mit dem Krisenstab in den kommenden Wochen vor allem dafür sorgen, dass mindestens 20 Millionen Impfungen gegen das Coronavirus bis zum Jahresende logistisch bewältigt werden. Es gehe darum, rasch weitere Impfzentren aufzubauen, die zielgenaue Bereitstellung des Impfstoffes zu planen und die dafür notwendige Terminorganisation zu verbessern. Um diese Aufgabe zu bewältigen, soll der Krisenstab sich täglich abstimmen. Weitergehende Beschlüsse des akuten Krisenmanagements, wie etwa Kontaktbeschränkungen, sollen aber nicht vom Krisenstab getroffen werden.

          Generalmajor Breuer gilt für die Aufgabe als besonders geeignet. Er half und hilft, neben dem Inspekteur der Streitkräftebasis, als verantwortlicher Offizier für sämtliche Amtshilfen der Bundeswehr in den vergangenen Monaten mehrere Tausend Einsätze von Soldaten zu organisieren. In der gegenwärtigen Lage ist die Bundeswehr unter seinem Kommando wieder in mehr als 300 lokalen Einsätzen, vor allem in Bayern, Sachsen und Thüringen, wo die Zahlen der Geimpften besonders niedrig und die Zahlen der schwer Erkrankten besonders hoch sind.

          Breuer ist an der Spitze eines Krisenstabes im Kanzleramt der erste General seit Jahrzehnten, der mit einer solchen Aufgabe betraut wird. In mehreren europäischen Ländern hat man früh und erfolgreich auf den militärischen und vor allem organisatorischen Sachverstand hoher Offiziere vertraut und dabei etwa in Italien oder Portugal beachtliche Erfolge errungen. Im Kanzleramt, wo die Skepsis gegen Militärisches in den vergangenen Jahren besonders ausgeprägt war, sind solche Erwägungen, sofern es sie gegeben hat, bislang stets verworfen worden. Breuer, der in diesen Tagen 57 Jahre alt wird, verfügt über langjährige Erfahrungen als Truppenführer, aber auch im Verteidigungsministerium.

          Allerdings gab es am Montag schon Forderungen, was die Zusammensetzung des Krisenstabs angeht. So dringt der neue Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe (CDU), darauf, dass auch die Kommunen am Krisenstab beteiligt werden müssten. „Die Expertise der Städte ist dafür unentbehrlich, denn dort wird die Arbeit gemacht und die Corona-Maßnahmen vor Ort umgesetzt“, sagte der Oberbürgermeister von Münster den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es sei daher sinnvoll, den Krisenstab breit aufzustellen. Die Zeit von Bund-Länder-Gipfeln solle „jetzt vorbei sein“, sagte Lewe.

          Der Vizepräsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Robert Schlögl, begrüßte die Einsetzung des Krisenstabs. Mit ihm könne die „Kakophonie“ im Umgang mit dem Virus beendet werden, sagte Schlögl im Inforadio des rbb. Die Leopoldina hatte angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen umfassende Kontaktbeschränkungen empfohlen.

          Neben dem Krisenstab wird es ein neues Gremium von Virologen, Epidemiologen und anderen Fachleuten geben, das einvernehmlich Empfehlungen für die Politik erarbeiten soll. Es soll einmal in der Woche zusammentreten.

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