Inzidenz bei mehr als 1000 : Werden sächsische Covid-Patienten bald im Ausland behandelt?
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Auf der Covid-Station, einem Bereich der Operativen Intensivstation vom Universitätsklinikum Leipzig, steht eine Physiotherapeutin am Bett einer Patientin. Bild: dpa
In Sachsen ist die Inzidenz auf mehr als 1000 gestiegen. Um einen Kollaps der Krankenhäuser zu verhindern, werden Covid-19-Patienten verlegt. Nun wird über einen Lockdown nachgedacht.
Am Donnerstag hat Sachsen erstmals eine Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 1000 Neuinfektionen verzeichnet und nach Lage der Dinge wird diese Zahl in den nächsten Tagen weiter steigen. Die Zahl der täglichen Neuinfektion liegt derzeit etwa vier Mal so hoch wie auf dem Höhepunkt der zweiten Welle Ende des vergangenen Jahres Dass die Kliniken die daraus resultierenden Patienten überhaupt noch aufnehmen können, liegt auch daran, dass es durch die Impfung nicht mehr so viele wie damals sind. Allerdings ist die Impfquote im Freistaat nach wie vor bei unter 60 Prozent – zu wenig, um Infektionen, vor allem solche mit schwerem Verlauf, so einzudämmen, dass die Krankenhäuser nicht mehr volllaufen.
Letzteres jedoch passiere gerade mit unverminderter Geschwindigkeit, erklärte Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Donnerstag. Gut 1900 Betten auf Normal-, sowie 533 auf den Intensivstationen Sachsens seien mit Corona-Kranken belegt, das ist ein Anstieg um 300 auf den Normal- und knapp 70 auf den Intensivstationen binnen einer Woche. „Das ist eine wahnsinnige Zahl“, sagte Köpping. „Wer jetzt immer noch glaubt, die Lage sei nicht ernst, müsste sich mal direkt in den Kliniken informieren.“ Für die in den nächsten Tagen zu erwartenden Klinikeinweisungen seien in Reha-Kliniken 4000 zusätzliche Betten reserviert worden, allerdings nur auf Normalstationen. „Auch die Intensivstationen in den Rehakliniken sind bereits vollständig belegt“, sagte Köpping.
Aufgrund der „sehr, sehr angespannten Situation“ würden bereits am Donnerstag vorsorglich zehn Corona-Patienten in andere Bundesländer verlegt, weitere 20 je Woche seien zur Verlegung angemeldet. Das alles diene dazu, einen Kollaps der Krankenhäuser zu vermeiden. Darüber hinaus gebe es Angebote aus Italien, Polen und Portugal, sächsische Patienten aufzunehmen. Im Vorjahr hatte Sachsen Corona-Patienten aus den besonders betroffenen italienischen Regionen aufgenommen. Köpping sagte, sie freue sich über diese Solidarität, die zeige: Die Europäische Union funktioniert.
„Sie sehen, dass höchste Gefahr besteht“
Eine Triage, wie sie der Präsident der sächsischen Landesärztekammer Anfang der Woche ins Spiel gebracht hatte, stehe derzeit aber nicht zur Debatte. „Wir haben alles mobilisiert, was wir haben, um nicht in so eine Situation zu kommen“, sagte Köpping. Es liege aber jetzt an allen, sich an die Maßnahmen zu halten, und nicht etwa Weihnachtsmärkte und Großveranstaltungen außerhalb Sachsens zu besuchen, sonst werde man schon bald tatsächlich in eine Lage geraten, in der man nicht mehr für alle Patienten etwas tun könne.
„Sie sehen, dass höchste Gefahr besteht“, sagte Köpping, die zudem einen kompletten Lockdown für „dringend notwendig“ hält. Zurzeit seien alle Maßnahmen, die das jetzige Infektionsschutzgesetz zulassen, ausgereizt. Seit Montag sind in Sachsen schon Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Sportstätten für alle geschlossen, Einzelhandel und Gastronomie dürfen lediglich verkürzt und ausschließlich für Geimpfte oder Genesene öffnen. Anders als im Vorjahr hält das Land jedoch Schulen und Kindergärten grundsätzlich offen. Allerdings breiten sich auch dort Infektionen so rasant aus, dass bereits 110 Schulen komplett und 193 teilweise zu Quarantänezwecken wieder schließen mussten.
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schließt einen kompletten Lockdown nicht mehr aus. „Es gibt in der Tat nicht viele weitere Optionen“, sagte er der Sächsischen Zeitung. Bis zu 15 Prozent der Infektionen in Deutschland geschähen in Sachsen. Wenn es bis nächste Woche nicht gelinge, die Kontakte so zu reduzieren, dass die Zahl der Neuinfektionen falle, „müssen wir diese Diskussion führen“. Zur Frage einer Impfpflicht sagte Kretschmer, es sei richtig, die Diskussion jetzt zu führen. „Aber ich persönlich bin in meinem Erleben eher immer derjenige gewesen, der nicht mit Zwang agiert, sondern mit Überzeugung und mit Erkenntnis“, sagte er. „Die Maßnahmen, die wir jetzt auf den Weg gebracht haben, sollen nicht spalten, sondern sollen sehr klar an einer medizinischen Notwendigkeit, die Pandemie zu bekämpfen, ausgerichtet sein.“
Gesundheitsministerin Köpping wiederum sprach sich klar für eine Impfpflicht aus. „Ich halte es für einen großen Fehler, dass wir das zu Anfang der Pandemie so klar ausgeschlossen haben“, sagte sie der Wochenzeitung Zeit. „Auch ich habe das getan, und ich bedauere das.“ Andernfalls sei bei der bisherigen Impfquote zumindest in Sachsen auch im nächsten Herbst abermals mit Einschränkungen zu rechnen. „Das kann eigentlich niemand wollen.“