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Corona-Lockerungen : Alle Länder auf eigene Faust

Markus Söder ärgert sich auch über das verlorene Vertrauen in den Abstimmungsrunden Bild: dpa

Der Riss hatte sich schon lange angedeutet: Die Länder gehen bei den Lockerungen eigene Wege, eine neue Abstimmungsrunde auf höchster Ebene wird es vorerst nicht geben. Die Kontaktbeschränkungen sollen bis 29. Juni verlängert werden – doch auch hier soll es Sonderregeln geben.

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          Am Dienstag war es so weit. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann übernahm es, das gemeinsame Vorgehen der Länder bei den Corona-Maßnahmen für beendet zu erklären: Es seien keine weiteren Abstimmungskonferenzen der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel geplant, sagte Kretschmann in Stuttgart. „Die Verantwortung liegt jetzt bei den Ministerpräsidenten und Landkreisen.“

          Alexander Haneke
          Redakteur in der Politik.

          Kurz darauf bekam Kretschmann Unterstützung vom bayerischen CSU-Landeschef. Markus Söder, der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, befand, eine weitere Runde des Gremiums würde momentan wenig bringen. Söder klang dabei beinahe düster. „Im Moment ist mein Eindruck, dass das Gesamtfundament und die Akzeptanz für gemeinschaftliche Lösungen sehr zurückgeht."   Wie als Bestätigung für das Gesagte überschlugen sich kurz darauf die Meldungen aus den Ländern, wo nun welche weiteren Lockerungen beschlossen wurden.

          Der Entschluss, dass man fortan eigene Wege bei den Lockerungen gehen will, kam dabei allerdings keinesfalls überraschend. Schon am Montag hatte Regierungssprecher Steffen Seibert klargestellt, dass es keinen neuen Termin für eine Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin zu den Corona-Maßnahmen geben solle.

          Ohnehin war es seit der letzten großen Runde von Merkel mit dem Ministerpräsidenten am 6. Mai klar, dass die Länder über weitere Lockerungen in Eigenregie entscheiden würden. Sämtliche Fragen liegen in ihrem Zuständigkeitsbereich und können nur von ihnen beschlossen werden. Allerdings hatten viele gehofft, dass die Staatskanzleien ihr Vorgehen zumindest weiter koordinieren und eine neue Runde der Ministerpräsidenten mit Merkel in den Tagen nach Pfingsten ansetzen würden, in der über die aktuell noch bis zum 5. Juni geltenden Kontaktbeschränkungen beraten werden sollte.

          Ärger über Durchstechereien

          Die Chefs der Staatskanzleien ringen derweil weiter mit Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) um ein einheitliches Vorgehen. Am Montag konnte sich die Runde offenbar nicht mehr auf eine gemeinsame Linie verständigen. Am Dienstag einigte man sich zumindest auf eine Verlängerung der Kontaktbeschränkungen bis zum 29. Juni, wobei sich künftig bis zu zehn Personen oder die Angehörigen zweier Hausstände gemeinsam im öffentlichen Raum aufhalten dürfen sollen. Allein Thüringen erklärte in einer Protokollerklärung seine abweichende Meinung, um sich einen Sonderweg offen zu halten, wie der dortige Staatssekretär Malte Krückels der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

          Söder hatte bereits am Nachmittag erklärt, auf Ebene der Staatskanzleichefs bleibe man „im Dauergespräch“. Doch kritisierte er auch Indiskretionen unter den Bundesländern. Mittlerweile würden schon Informationen aus laufenden Sitzungen der Chefs der Staatskanzleien an die Medien weitergegeben.

          Söder zog daraus einen für einen CSU-Politiker durchaus ungewöhnlichen Schluss: Er plädierte dafür, dem Bund beim Infektionsschutz mehr Macht zu geben. „Ehrlicherweise glaube ich, wäre es besser, wenn der Bund da mehr verbindliche rechtsnormative Kraft hätte, als das jetzt der Fall ist“, so Söder in München. Auch wenn er ein über überzeugter Föderalist sei, an dieser Stelle wäre eine stärkere Führung des Bundes „sehr hilfreich“.

          Kern seiner Kritik ist dabei weiter der „Wettlauf“ der Bundesländer bei den Lockerungen. Am Dienstag versuchte der nicht nur von Söder gescholtene Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), seinen Standpunkt abermals zu rechtfertigen. Er hatte am Wochenende mit der Meldung für Aufsehen gesorgt, dass sein Land künftig auf jedwede Corona-Verbote verzichten und stattdessen allein mit freiwilligen Geboten arbeiten wolle. Am Dienstag sagte er nach einer Kabinettssitzung, grundlegende Corona-Regeln wie der Mindestabstand von 1,50 Metern oder die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen blieben erhalten.

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