
Corona-Impfungen : Die Arztpraxis als Schicksalsort?
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Im Wartezimmer einer Gemeinschaftspraxis. Bild: dpa
Vieles spricht dafür, die Ärzte in die Impfkampagne einzubinden. Doch solange der Impfstoff knapp ist, ist die Wirkung des Vorhabens begrenzt – und stürzt Tausende Mediziner schlimmstenfalls in einen Gewissenskonflikt.
Es gibt viele gute Gründe für eine möglichst rasche und umfangreiche Beteiligung der niedergelassenen Ärzte an der Impfkampagne. Nicht nur, dass die helfenden Hände in Tausenden Arztpraxen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, den vorhandenen Impfstoff möglichst rasch zu spritzen. Vor allem die Hausärzte verfügen zudem über Erfahrung im Umgang mit Impfungen. Und wer, wenn nicht der Hausarzt, kann am besten beurteilen, wie es um den Zustand von älteren und kranken Patienten bestellt ist?
Doch Vorsicht. Alle diese Vorteile kommen nur dann zum Tragen, wenn demnächst deutlich mehr Impfstoff vorhanden ist als derzeit. Schon jetzt empfindet es so mancher ärztliche Leiter eines Impfzentrums als Zumutung, Kranke ohne Termin wegschicken zu müssen. Wer sein Herz am rechten Fleck hat, wird immer helfen wollen – und schwer daran zu tragen haben, es nicht zu können oder – schlimmer – es nicht zu dürfen.
Dieser Konflikt würde verstetigt, wenn jeder Hausarzt darüber entscheiden müsste, welche seiner Patienten alt, krank oder gefährdet genug sind, um geimpft zu werden. Es war richtig, dass die Kriterien der Impftriage auf der Grundlage von fachlichen Empfehlungen durch die Regierung vorgegeben wurden. Die Gesundheit und das Wohlergehen der Patienten sollen „oberstes Anliegen“ sein, so heißt es im ärztlichen Gelöbnis. Wie soll ein Mediziner dem gerecht werden, wenn er darüber entscheiden muss, wem er gerade nicht hilft?
Ärztevertreter haben zu Beginn der Impfungen vehement davor gewarnt, dass die Praxis zum Ort der Entscheidung wird. Nun fordern sie mehr Spielräume in den Praxen und lobbyieren geradezu für den Gewissenskonflikt ihrer Kollegen. Gewiss, irgendjemand muss diese harten Entscheidungen treffen. Und keinesfalls darf es sein, dass vorhandene Impfstoffe liegenbleiben. Doch solange der Übergang vom Mangel zum Überfluss noch andauert, darf man die Praxen nicht zu Schicksalsorten machen. Jeder Arzt, jeder Helfer sollte sich an den Impfungen beteiligen können. Aber zum Wohle aller zunächst noch nach klaren Regeln.