Corona-Pandemie : Lauterbach sieht Mehrheit für Einführung der Impfpflicht in Gefahr
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Karl Lauterbach und Lothar Wieler am Freitag in Berlin. Bild: EPA
Der Gesundheitsminister befürchtet, dass die unterschiedlichen Anträge zur Einführung der Impfpflicht in Konkurrenz zueinander stehen – und das Vorhaben an sich gefährden. Nun möchte er sie zur Abstimmung im Bundestag bündeln.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht im Bundestag eine Mehrheit für die allgemeine Impfpflicht. Er befürchtet aber, dass die drei unterschiedlichen Anträge derart in Konkurrenz zueinander treten könnten, dass diese Mehrheit nicht zustande kommt. „Ich glaube daher, dass es sehr wichtig ist, dass wir die Anträge zusammenbringen“, sagte er am Freitag in Berlin. Sinnvoll sei zunächst, die beiden Anträge aus der Koalition zur Impfpflicht mit 18 und mit 50 Jahren zu bündeln. „Die kleinen Unterschiede dürfen nicht die große Gemeinsamkeit verunmöglichen“, so Lauterbach. Bestenfalls beteilige sich dann auch die Union mit ihrem Antrag. „Ich hoffe noch immer, dass wir einen gemeinsamen Beschluss nachher schaffen.“
Zur Corona-Lage sagte Lauterbach, es gebe weiterhin hohe Zahlen an Neuansteckungen, „die wir vermutlich unterschätzen“. Jeden Tag stürben 200 bis 300 Covid-19-Patienten. Das seien die höchsten Zahlen seit Monaten. Die neue Subvariante BA.2 mache bis zu 24 Prozent aller Fälle aus, jede Woche seien es sechs Prozentpunkte mehr. BA.2 ziehe vermutlich keine schwereren Verläufe nach sich als die Ursprungsvariante, sei aber ansteckender.
„Sonst ist ein schwerer Rückfall nicht ausgeschlossen“
Lauterbach appellierte an die Ministerpräsidenten, auf keinen Fall über die verabredeten Lockerungen hinauszugehen: „Sonst ist ein schwerer Rückfall nicht ausgeschlossen.“ Beim Bund-Länder-Treffen war vereinbart worden, die Beschränkungen schrittweise herunterzufahren. Zum Frühlingsbeginn am 20. März sollen die meisten Einschränkungen fallen. Dann läuft gemäß Infektionsschutzgesetz auch die Rechtsbasis dafür aus. Lauterbach warnte davor, den 20. März als „Freiheitstag“ anzusehen. Die Pandemie sei noch nicht vorbei: „Ein Freedom Day ist nicht ungefährlich, er gibt uns eine Sicherheit, die wir nicht haben.“
Der Minister erwarte daher am 20. März keine vollständige Öffnung. Derzeit überarbeitet er das Infektionsschutzgesetz gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann (FDP). Die geplanten Länderregelungen zum „Basisschutz“ müssen nach Lauterbachs Wünschen Abstandsregeln, Kontaktbeschränkungen und Hygienekonzepte ebenso umfassen wie den Schutz von Heimen oder Kliniken sowie Bestimmungen zu „Hotspots“ mit hoher Inzidenz. „Es muss ein substanzhaltiges Trägergesetz werden“, verlangte der Minister. Er selbst beziehe bewusst eine vorsichtige Position. Nur so sei man gut vorbereitet für den Herbst, wenn eine neue Welle zu erwarten sei.
Im Gegensatz zu anderen Ländern müsse die Bundesrepublik besonders vorsichtig sein, da hierzulande bis zu zwölf Prozent der über Sechzigjährigen noch gar nicht geimpft seien. „Deutschland muss einen Sonderweg gehen, weil wir eine Sondersituation haben“, so Lauterbach. Er warnte, es könnte zwar fallende Ansteckungs-, aber steigende Todeszahlen geben. Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte, gefährdet seien zuvörderst chronisch Kranke und Betagte. Gegen den Trend steige die Inzidenz bei über 80-Jährigen. Auch die Hospitalisierung unter Älteren nehme zu, es gebe wieder mehr Ausbrüche in Pflegeheimen.
Wieler hofft, dass der neue proteinbasierte Impfstoff von Novavax Anreize für Unentschlossene bietet. Die Impfkommission STIKO empfehle inzwischen eine zweite Auffrischung für vulnerable Gruppen. Diese vierte Injektion solle frühestens drei Monate nach der dritten erfolgen. Für medizinisches und pflegerisches Personal soll der Abstand ein halbes Jahr betragen.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, ergänzte, die Impfnachfrage lasse deutlich nach. Zuletzt von einer Million auf 800.000 Dosen in der Woche. Novavax könnte einen neuen Schub bringen. Er beobachtet bei den Infektionen eine „extrem hohe Dunkelziffer“, da auf 100.000 Einwohner nur vier PCR-Tests kämen, von denen aber 44 Prozent positiv seien. Skeptisch ist Gassen gegenüber Antigen-Bürgertests. Die 73 Millionen Abstriche hätten schon 900 Millionen Euro gekostet. Dabei könnten acht von neun Tests Omikron nur bei hoher Viruslast erkennen: „Da stellt sich die Frage: Machen diese Bürgertests anlasslos Sinn?“
Gassen forderte, dass auch die medizinischen Fachangestellten (MFA) in den Arztpraxen einen Corona-Bonus erhalten sollten. Lauterbach erwiderte, man wolle den Bonus zunächst auf die Pflege beschränken. Die Impfvergütung für Praxen von 28 Euro je Dosis sei international betrachtet „nicht schlecht“.