
Nicht die Impfpflicht spaltet uns
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Corona-Regeln für den Weihnachtsmarktbesuch in Hamburg. Bild: Reuters
Die Merkel-Scholz-Regierung hätte die Impfpflicht nie ausschließen dürfen. Zerreißt das nun die Gesellschaft? Am besten, wir lernen aus Amerikas Fehlern.
Die Merkel-Scholz-Regierung hatte gute Gründe, die Bevölkerung nicht zur Corona-Schutzimpfung zu verpflichten. Eine Impfpflicht hätte wohl eine Gegenbewegung gestärkt, die auch andere Maßnahmen gegen die Pandemie diskreditiert. Der verhängnisvolle Fehler lag darin, die gesetzliche Pflicht kategorisch auszuschließen. Auf Grundlage von Umfragen mochte die Regierung zwar erwarten, dass die Herde der Freiwilligen für genug Immunität sorgen würde. Sie konnte nicht wissen, dass die Delta-Variante die Faustregel hinwegfegen würde, wonach nur etwa siebzig Prozent der Bevölkerung geimpft sein müssen. Aber sie wusste, dass sie nicht wusste, was noch alles kommen würde.
Angesichts der „größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“ (so Merkel im März 2020) war es fahrlässig, ein Mittel auszuschließen. Noch vorige Woche stand auf der Website des Gesundheitsministeriums unter „Fakten gegen Falschmeldungen“: „Nein, es wird keine Impfpflicht geben!“ Dann fielen die Dominosteine: Die Länder forderten vom Bund eine einrichtungsbezogene Impfpflicht, Österreich stellte als erstes EU-Land Geldbußen für fast alle Ungeimpften in Aussicht, und nun fordern Ministerpräsidenten von Union und Grünen hierzulande eine ähnliche Wende. Sollte der Ausschluss einer Pflicht das Vertrauen in die Vakzine und in die Fürsorge des Staates erhöhen, so droht ein Wortbruch nun den Vertrauensverlust zu beschleunigen. „Eine Impfpflicht würde unser Land zerreißen“, warnte Gesundheitsminister Spahn kürzlich. Ist das so?
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