Infizierter Abgeordneter : Wie der Bundestag handlungsfähig bleibt
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Etliche Stühle im Bundestag bleiben in diesen Tagen unbesetzt, da sich einige Abgeordnete vorsorglich in häuslicher Quarantäne befinden. Bild: dpa
Das Coronavirus hat den deutschen Bundestag erreicht, ein Abgeordneter wurde positiv auf Covid-19 getestet. Die Folgen treffen nun direkt und indirekt den gesamten Parlamentsbetrieb.
Die Flure der FDP-Fraktion in den Bürogebäuden am Reichstag sind schon am Donnerstag verwaist, nicht erst am Freitagnachmittag, wie sonst in Sitzungswochen. Die meisten Mitarbeiter haben ihre Schreibtische verlassen und arbeiten zuhause, manche holen noch Unterlagen aus dem Büro. Eine junge Sachbearbeiterin sagt, über das Fauchen der Kaffeemaschine hinweg, „das ist der letzte Kaffee“. Am Mittwoch hatte die Fraktionsgeschäftsstelle der FDP mitgeteilt, dass der Abgeordnete Hagen Reinhold, der in der vergangenen Woche in Skiferien in Österreich war, positiv auf Covid-19 getestet worden sei.
Die Folgen treffen nun direkt und indirekt den gesamten Parlamentsbetrieb. Reinhold selbst begab sich unverzüglich in Quarantäne. Am Freitagmorgen verfügte die Fraktionsleitung über eine Liste der Personenkontakte, die der Abgeordnete aus den vorigen Tagen im Gedächtnis hatte – in seinem Büro, in Gremiensitzungen, im Ausschuss für Bau und Wohnungswesen. Es sei eine Personenzahl im „niedrigen zweistelligen Bereich“ identifiziert und benachrichtigt worden, hieß es. Auch die Kontaktpersonen sollen sich nun bis auf weiteres zuhause isoliert halten.
Ein Blick auf die Notstandsverfassung
In den Organisationsrunden des Bundestags war schon Tage zuvor die Frage erörtert worden, was zu unternehmen ist, wenn das Virus das Parlament erreicht. Es hatte einen Blick auf die Notstandsverfassung gegeben, die einen im Grundgesetz verankerten „Gemeinsamen Ausschuss“ von Bundestag und Bundesrat für den Fall vorsieht, dass der Bundestag – durch Kriegseinwirkungen – nicht zusammenkommen kann. Doch das Gesetz ist eindeutig. Etwas anderes als der Verteidigungsfall kann nicht zur Einsetzung des 48 Mitglieder umfassenden Sondergremiums führen. Dazu müsste das Grundgesetz geändert werden. Zwar hört man sogar aus dem Kreis der Regierungsfraktionen erstes halblautes Nachdenken, ob eine Erweiterung auf Seuchen nicht angebracht wäre. Doch diese Gedanken sind in einem sehr frühen Stadium und spielen für die Bekämpfung der aktuellen Corona-Krise keine Rolle.
Zunächst werden schneller zu verwirklichende Maßnahmen ergriffen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der sich dabei eng mit den Fraktionsgeschäftsführern abstimmt, hat zunächst die Reichstagskuppel und die Dachterrasse für den Besucherverkehr geschlossen, da die Menschen in Warteschlange und Aufzügen dicht an dicht stehen. Besuchergruppen haben bis vorerst Ende April keinen Zugang mehr zum höchsten deutschen Parlament, nur noch einzelne Besucher können sich Plenarsitzungen anhören, Kleingruppen von höchstens sechs Personen können Abgeordnete besuchen.
Für diese Woche sind namentliche Abstimmungen abgesetzt. Bei diesen stehen die mehr als 700 Abgeordneten enggedrängt vor den Wahlurnen. Das soll vermieden werden. Die kommende Woche ist ohnehin sitzungsfrei, die Abgeordneten sind also überwiegend in ihren Wahlkreisen. Noch ist die weitere Sitzungsplanung nicht geändert worden, nach gegenwärtigem Stand kommen die Abgeordneten in der übernächsten Woche wieder aus ganz Deutschland zusammen. Doch da kaum ein Satz derzeit so oft zu hören ist, wie der von der ständigen Anpassung der zu ergreifenden Maßnahmen an die Entwicklung, kann sich auch das noch ändern.