Bergamo: Das riesige Bild einer Zeichnung des venezianischen Künstlers Franco Rivolli zeigt an der Fassade des Krankenhauses Papa Giovanni XXIII. eine Ärztin mit Flügeln auf dem Rücken, die Italien wiegt. Auf Italienisch ist die Aufschrift: „An alle... Danke!“ zu lesen. Bild: dpa
Deutschland hat Italien Hunderte Beatmungsgeräte geschickt. Doch in den Köpfen vieler Italiener hat sich festgesetzt, dass China in der Not da war. Tatsächlich tut Peking weit mehr als die Partner in der EU.
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Wenn Flugzeuge aus China und Russland mit medizinischen Hilfsgütern in Rom landen, teilt Außenminister Luigi Di Maio seine ostentative Freude darüber in Echtzeit über die sozialen Medien mit oder steht gleich selbst an der Landebahn. Die Ankunft zweier Frachtflugzeuge der italienischen Luftwaffe mit rund sieben Tonnen medizinischem Gerät aus Deutschland, darunter die in Norditalien dringend benötigten Beatmungsgeräte, verlief am Mittwoch und Donnerstag in Rom und Mailand dagegen fast geräuschlos. Immerhin bedankte sich Verteidigungsminister Lorenzo Guerini „bei den deutschen Freunden und Verbündeten für die Unterstützung in diesem Augenblick großer Not“.
Doch in der italienischen Öffentlichkeit hat sich fürs Erste das Bild festgesetzt, dass das Land in der schwersten Krise seit Menschengedenken von seinen angeblich engsten Freunden in Europa im Stich gelassen wurde. „Wir merken uns das“, schrieb Gianluca Di Feo, stellvertretender Chefredakteur der linksliberalen und europafreundlichen Tageszeitung „La Repubblica“, vor gut einer Woche in einem Leitartikel voller Bitterkeit. Nach einem Telefonat zwischen Ministerpräsident Giuseppe Conte und Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 12. März ist der zu Zeiten nationaler Notlagen routinemäßig verhängte Exportstopp für medizinisches Material inzwischen aufgehoben worden.
Handschriftlicher Brief des Bundespräsidenten
Und Hilfe auch aus Deutschland gelangt jetzt nach Italien. Freilich nicht in dem Umfang und auch nicht mit so viel lärmender Propaganda verbunden, wie das bei Flugzeugen mit Hilfsgütern und medizinischem Personal aus China und Russland der Fall ist. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Freitag mit einem handschriftlich verfassten Brief an den italienischen Präsidenten Sergio Mattarella eine erste Reparatur des beschädigten deutsch-italienischen Verhältnisses versucht. In dem Schreiben versichert Steinmeier den „lieben Sergio Mattarella“ seiner tiefen persönlichen Anteilnahme sowie der „Solidarität meiner Landsleute“ in dieser „ungeheuer schweren Situation“ für Italien.
Es brauche nun einen „wahrhaft europäischen Geist menschlicher und praktischer Solidarität“, um diese beispiellose Krise gemeinsam zu überwinden, schreibt Steinmeier. In seiner gleichfalls handschriftlichen Antwort vom Samstag an den „lieben Freund Frank-Walter“ schreibt Mattarella, er und mit ihm ganz Italien seien „sehr dankbar für die von Deutschland gezeigte und konkret umgesetzte Solidarität“. Die Vereinbarung der Gesundheitsministerien beider Länder über die Lieferung von Medizinprodukten von Deutschland nach Italien sei auch „als Zeichen der tiefen Freundschaft zwischen unseren Ländern von großer Bedeutung“.
Steinmeiers Sorge über Zusammenhalt Europas
Steinmeier wird schon eine ganze Weile von der Sorge getrieben, die Corona-Krise könnte den Zusammenhalt Europas gefährden, und handelt, soweit das in seiner symbolischen Macht steht, durch entsprechende Gesten. Steinmeier stand schon vor mehr als einer Woche erstmals mit seinem italienischen Kollegen Sergio Mattarella in Telefonkontakt, um die europäische Solidarität im Moment der Krise zu beschwören und zu demonstrieren; in den folgenden Tagen rief er den polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda an und telefonierte mit den Präsidenten der baltischen Staaten. In diesen Unterredungen stand jedoch, im Gegensatz zu Italien, weniger medizinische Hilfe im Vordergrund, es ging eher um Transitfragen und darum, wie Europa auch im Moment der Ausgangssperren und Grenzkontrollen wenigstens ein unkoordiniertes Chaos vermeiden könne.
Das Schreiben Steinmeiers an den italienischen Staatspräsidenten traf am vergangenen Freitag zur gleichen Zeit ein wie die Lieferung medizinischer Güter, die vom Bundesgesundheitsministerium veranlasst und von der Bundeswehr organisiert worden war, darunter 300 Beatmungsgeräte. Ärger gab es auch, weil zumindest zeitweise medizinische Hilfsgüter für Italien an Grenzen feststeckten oder auf Lieferwegen teilweise ganz abhandenkamen, wie etwa angeblich bei einem Transport durch Ungarn, was aber nicht bestätigt werden konnte.