Holen wir den öffentlichen Raum zurück
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So geordnet kann es gehen: Demonstration unter strengsten Abstandsregeln in Tel Aviv am 9. Mai 2020 Bild: AFP
Während der Pandemie ist der öffentliche Raum weitgehend verschwunden. Höchste Zeit, ihn wieder für gemeinsame Erlebnisse unter Fremden zu öffnen – mit aller gebotenen Vorsicht.
Wer seit Ende des Lockdowns bereits das Vergnügen hatte, in einem Konzert, einer Theateraufführung oder einem Kinosaal zu sitzen oder gar im Rahmen einer privaten Feier unter Abstandswahrung zu tanzen, wird die Erleichterung gespürt haben, die es bedeutet, unter Fremden die Aufmerksamkeit auf einen gemeinsamen Gegenstand zu richten. Wie das Gewicht vom Selbst abfällt. Und vielleicht für ein, zwei wertvolle Stunden auch der Stress, den es seit fünf Monaten bedeutet, unter Fremden durch das zu navigieren, was mal der öffentliche Raum war.
Der öffentliche Raum, in dem sich im 18. Jahrhundert das bürgerliche Leben etablierte, in Straßen, auf Plätzen, in Parks, Theatern und Cafés, brachte einen guten Teil der modernen Literatur hervor, Demonstrationen und Revolutionen. Derzeit ist der öffentliche Raum kaum noch mehr als eine Ansammlung privater Empfindlichkeiten, ein streng überwachtes Risikogebiet, das es möglichst kontaktfrei zu durcheilen gilt. Keine falsche Bewegung! Wer einander zu nahe kommt, findet sich am Pranger der sozialen Medien wieder – oder des Fernsehens, wo am Mittwochabend Markus Lanz sich mit dem Epidemiologen Dirk Brockmann ins Entsetzen über einen dichtgefüllten Timmendorfer Strand steigerte, bis Ministerpräsident Daniel Günther eine lange fällige Nachhilfe im Interpretieren von Fotos gab, die bei Verwendung von Teleobjektiven Abstände kleiner erscheinen lassen, als sie sind.
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