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Massenausbruch bei Tönnies : Zerstörtes Vertrauen, verängstigte Mitarbeiter

  • -Aktualisiert am

In Verl im Stadtteil Sürenheide führen Bundeswehr-Angehörige Corona-Tests in einem abgesperrten Wohnblock durch. Bild: Daniel Pilar

Mehr als 1300 Tönnies-Mitarbeiter sind mit dem Coronavirus infiziert, NRW-Ministerpräsident Laschet sieht trotzdem keinen Grund für einen Lockdown. Im Vergleich mit anderen Corona-Ausbrüchen in der Fleischindustrie stellt sich die Lage im Landkreis Gütersloh noch einmal schwieriger dar.

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          Man sieht dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten die Anspannung an. Armin Laschet ist am frühen Sonntagnachmittag nach Ostwestfalen geeilt, um an einer Sitzung des Corona-Krisenstabes des Landkreises Gütersloh teilzunehmen. Bei mittlerweile mehr als 1300 Fleischarbeitern des Branchenriesen Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück ist das Coronavirus nachgewiesen worden. Laschet, der sich schon kurz nach Beginn der Corona-Pandemie für erste Lockerungen ausgesprochen hatte, schien den Fall Tönnies zunächst als rein lokales und damit beherrschbares Infektionsgeschehen zu bewerten.

          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

          Am Freitagabend wollte er dann nicht mehr ausschließen, dass ein flächendeckender Lockdown in der Region nötig werden könnte. Die Causa Tönnies berge „ein enormes Pandemie-Risiko“, sagte Laschet. Am Sonntag bekräftigt der Ministerpräsident im Foyer des Gütersloher Kreishauses diese Lesart. Weil es bisher aber „keinen signifikanten Übersprung“ in die allgemeine Bevölkerung gebe, soll es neben der von Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) verfügten Schul- und Kita-Schließung keine weiteren Maßnahmen geben. Und das, obwohl die Zahl der Neuinfektionen im Kreis Gütersloh deutlich über der von Bund und Ländern vereinbarten Grenze von 50 pro Woche und 100.000 Einwohner liegt.

          Im Vergleich mit anderen Corona-Ausbrüchen in der Fleischindustrie, die sich Anfang Mai im Süden und Norden Deutschlands und auch im nahen Kreis Coesfeld recht zügig unter Kontrolle bringen ließen, stellt sich die Lage im Landkreis Gütersloh nun noch einmal schwieriger dar. Denn die Tönnies-Mitarbeiter sind an verschiedenen Orten in Unterkünften in den Kreisen Gütersloh, Warendorf und Soest sowie den Städten Bielefeld und Hamm untergebracht. „So kommt es, dass der Corona-Ausbruch verschiedene Wohngebiete auch im Grenzgebiet zu Niedersachsen erreicht“, hatte auch Laschet schon am Freitag festgestellt.

          Am Samstag äußerten sich der Gütersloher Landrat und dessen Krisenstabsleiter Thomas Kuhlbusch dann verhalten optimistisch. „Wir haben die Chance, einen lokalen Lockdown zu verhindern“, sagte Adenauer. Zwar war die Zahl der positiv getesteten Tönnies-Mitarbeiter weiter auf mehr als 1000 gestiegen – einen so rasanten Abstrich-Verlauf in so kurzer Zeit hat es bisher in noch keinem deutschen Corona-Hotspot gegeben. „Doch mittlerweile ist der Anstieg nicht mehr so stark, und wir haben keinen signifikanten Eintrag von Infektionen in die allgemeine Bevölkerung“, sagte Landrat Adenauer. Ohne das Geschehen rund um das Unternehmen Tönnies unterscheide sich die Corona-Lage im Kreis Gütersloh nicht von der allgemeinen, guten Entwicklung in Deutschland.

          Nukleus Fleischzerlegung

          Als Nukleus des Tönnies-Ausbruchs haben Krisenstabsleiter Kuhlbusch und seine vielen Mitarbeiter von Hilfsdiensten und Bundeswehr mittlerweile zweifelsfrei den Zerlegebetrieb der Fleischfirma ausgemacht. In diesem Betriebsteil, in dem Werkvertragsarbeiter Schweinehälften weiter zergliedern, ist es besonders kalt und feucht. Die Arbeit ist körperlich äußerst anstrengend, weshalb die Männer besonders tief aus- und einatmen, sich ihre Aerosolwolken besonders weit ausbreiten können. Umso wichtiger ist, dass zwischen den Arbeitern große Abstände eingehalten werden – doch das war bei Tönnies offenbar nicht der Fall.

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