Rückkehr des Clanchefs : Hat Herr Miri sich verrechnet?
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Ibrahim Miri (rechts) begrüßt im April 2014 vor Beginn des Prozesses wegen unerlaubten Betäubungsmittelhandels im Saal des Landgerichts in Bremen Zuschauer auf den Besucherbänken. Bild: Picture-Alliance
In einer aufwändigen Aktion wurde Ibrahim Miri im Sommer in den Libanon abgeschoben. Nun ist er plötzlich wieder in Bremen. Doch auf diesen Fall waren die Behörden vorbereitet.
Die Bearbeiter in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) werden nicht schlecht gestaunt haben. Nur 15 Wochen nachdem die Polizei Ibrahim Miri, den Chef des gleichnamigen Familienclans, unter Beteiligung der Spezialeinheit GSG 9 mit einem eigens gecharterten Privatflugzeug in den Libanon abgeschoben hatte, stand der Herr am Mittwoch plötzlich mit einem Anwalt vor ihnen und stellte einen Antrag auf Asyl. Er werde im Libanon mit dem Tod bedroht, ließ Miri mitteilen, die schiitische Hizbullah-Miliz sei hinter ihm her. Der guten Form halber erstattete er gleich Selbstanzeige wegen illegaler Einreise.
Miri ist in Bremen eine lokale Bekanntheit. Gegen seinen Clan wird schon seit Jahren wegen organisierter Kriminalität ermittelt, vor allem Drogen- und Waffengeschäfte sowie Sozialleistungsbetrug sollen zum Portfolio gehören. Ibrahim Miri fungierte zudem seit einigen Jahren als Präsident der Rockergruppe „Mongols MC Bremen“. 2014 wurde er zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt, die er zu großen Teilen absaß.
Schon seit 2006 war Miri ausreisepflichtig, doch eine Abschiebung scheiterte immer wieder. Wie bei vielen anderen Clankriminellen war das größte Problem der Behörden, dass Miri staatenlos ist und sein Geburtsland Libanon kein Interesse hatte, den Mann zurückzunehmen. Vor einigen Monaten kam plötzlich Schwung in den Prozess – ein Zusammenhang mit einer Reise des Berliner Innensenators Andreas Geisel (SPD) in den Libanon liegt nahe. Jedenfalls drangen Anfang Juli Polizeibeamte in den frühen Morgenstunden in Miris Bremer Wohnung und nahmen den Überrumpelten noch in seinem Bett fest. „Störung der Nachtruhe des Herrn Miri“ hatten die Behörden die aufwändige Aktion getauft. Mit einem Hubschrauber brachten sie ihn zum Berliner Flughafen Schönefeld, wo ein Learjet bereitstand. Noch am selben Vormittag konnte er in Beirut an die libanesische Polizei übergeben werden.
Doch Miri fühlt sich ungerecht behandelt. Über seinen Anwalt hat er nun Klage gegen das Land Bremen erhoben. Die „gewaltsame“ Aktion sei menschenrechtswidrig gewesen, man habe ihn sofort gefesselt, ihm die Augen verbunden und die Ohren verstöpselt. Erst kurz vor der Ankunft habe man ihm verraten, dass er gleich im Libanon sein werde. Miri wehre sich mit seiner Klage auch dagegen, dass bei der Abschiebeentscheidung alle positiven Entwicklungen seit seiner letzten Haftstrafe unberücksichtigt geblieben seien. Etwa, dass er eine Arbeit aufgenommen und mit seiner schwangeren Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind habe aus Bremen wegziehen wollen, um sich aus dem alten Milieu zu lösen. Tatsächlich hatte ihm das Landgericht wegen der positiven Sozialprognose eine Bewährungsstrafe zugestanden.
Doch es sieht so aus, als habe sich Herr Miri mit seiner Rückkehr verkalkuliert. Noch in der Bamf-Außenstelle nahmen ihn herbeigerufene Polizisten fest und brachten ihn in Abschiebehaft. Am Mittwochabend befand ein Ermittlungsrichter das Vorgehen offenbar für richtig und erließ Haftbefehl. Unklar ist bislang, wie Miri zurück nach Deutschland kam. In Bremen geht man davon aus, dass die Reise auf dem Landweg erfolgte, da ein Wiedereinreiseverbot bei Abschiebungen grundsätzlich für den gesamten Schengenraum gilt. Miri wäre demnach im Schengener Informationssystem (SIS) vermerkt, sodass ihm auch etwa ein niederländischer Grenzbeamter am Flughafen Amsterdam die Einreise verweigern müsste. Allerdings bestehen – je nach Geldbeutel – viele Möglichkeiten einer illegalen Einreise, sei es mit Schleusern über die bekannten Flüchtlingsrouten oder mit einem privaten Boot auf dem Seeweg. Miris Anwalt sagte Radio Bremen dazu nur, dass es „ein langer Weg“ gewesen sei.
Nun müssen die deutschen Behörden darauf hoffen, dass die libanesischen Kollegen Miri wieder zurücknehmen. Bis dahin hat das Bamf über den Asylantrag zu entscheiden. Da Miri tatsächlich im Libanon war und sein Vorbringen nicht völlig unglaubhaft ist, wird die Behörde wohl ein Anhörungsverfahren durchführen und möglicherweise Informationen der Botschaft in Beirut einholen. Das kann, wenn es schnell gehen muss, nach Einschätzung von Asylrechtsexperten innerhalb einiger Wochen erfolgen. Für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren im Eilrechtsschutz würden nochmal einige Wochen dazukommen. Bis zu sechs Monate kann Miri nach den inzwischen verschärften Regeln für die Abschiebehaft grundsätzlich hinter Gittern gehalten werden. In Bremen wird nun mancher zittern, ob das reicht.