Charles’ Rede im Bundestag : „Deutschlands Unterstützung für Kiew ist überaus mutig“
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Die Zuhörer applaudierten im Stehen. Bild: dpa
Norman Foster, „Dinner for One“ und Turners Rhein-Gemälde: Der britische König zeichnet bei seiner Rede im Bundestag ein lebendiges Bild der deutsch-britischen Beziehungen. Das Plenum dankt es ihm mit minutenlangem Applaus.
Jeder Platz ist besetzt, als der britische König Charles III. um 12.01 Uhr den Plenarsaal des Bundestags betritt. Begleitet wird er von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), gefolgt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Charles’ Frau Camilla und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Steinmeiers Partnerin Elke Büdenbender.
Unklar war im Vorhinein, ob Charles seine Rede am Donnerstag auf Deutsch oder Englisch halten würde – er spricht die Sprache fließend, seine Familie hat deutsche Wurzeln. Als er nach der Begrüßung durch Bas um 12.11 Uhr ans Rednerpult tritt, begrüßt er seine Zuhörer auf Deutsch: „Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren“.
Es sei ihm eine Ehre, im Bundestag „das Bekenntnis zur Freundschaft unserer Länder zu erneuern“. Schon als er nach den ersten Sätzen zum ersten Mal absetzt, brandet tosender Applaus auf – nur die Abgeordneten der Linkspartei, die den königlichen Besuch zuvor als undemokratisch kritisiert haben, klatschen nicht.
„Zahllose Leben wurden zerstört“
Charles spricht zunächst über das Haus, in dem er sich befindet und das dafür stehe, was Deutschland und Großbritannien verbinde. 1933 in Brand gesetzt und 1945 schwer beschädigt, sei der Reichstag in den Neunzigerjahren von einem britischen Architekten wieder aufgebaut worden. Die berühmte Kuppel Norman Fosters sei ein Symbol für Transparenz und Rechenschaftspflicht – bei diesem schwierigen Wort holpert das Deutsch des Königs ein wenig.
Kurz darauf wechselt er ins Englische und bedankt sich für die außerordentliche Anteilnahme der Menschen in Deutschland am Tod seiner Mutter. Sie habe noch der Kriegsgeneration angehört, weshalb ihre erste Reise nach Deutschland ein wichtiger Schritt in der Versöhnung der Nationen gewesen sei. „Meine Mutter wusste, welche enorme Errungenschaft diese Versöhnung bedeutete“, sagt Charles. Womöglich habe sie deshalb einen besonderen Platz im Herzen der Deutschen.
Wieder auf Deutsch kommt er dann auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen: Russlands Angriffskrieg habe unvorstellbares Leid über viele unschuldige Menschen gebracht. „Zahllose Leben wurden zerstört, Freiheit und Menschen wurden brutal mit den Füßen getreten. Die Sicherheit Europas ist ebenso bedroht wie unsere demokratischen Werte.“

Zu Besuch in Berlin : König Charles III. Rede im Bundestag
Der britische König lobt seine Gastgeber: „Der Entschluss Deutschlands, der Ukraine so große militärische Unterstützung zukommen zu lassen, ist überaus mutig, wichtig und willkommen. Deutschland und das Vereinigte Königreich haben eine wichtige Führungsrolle übernommen.“
Als größte europäische Geber hätten beide Länder entschlossen reagiert und Entscheidungen getroffen, die früher vielleicht unvorstellbar gewesen wären, sagt Charles weiter. An dieser Stelle wird er abermals von langem Applaus unterbrochen.
Händel-Musik bei Charles’ Krönungszeremonie
Der Auftritt im Bundestag ist der zentrale Programmpunkt am zweiten Tag des Staatsbesuchs von Charles und Königin Camilla. Im Plenum sind viele ranghohe Gäste: Auf der Besuchertribüne verfolgen unter anderem die früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck und Christian Wulff sowie die früheren Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth (CDU), Norbert Lammert (CDU) und Wolfgang Thierse (SPD) die Rede. Anwesend sind außerdem das komplette Kabinett sowie mehrere amtierende und ehemalige Ministerpräsidenten.
Nach dem Krieg und der deutsch-britischen Militärkooperation wendet der König sich leichteren Themen zu. Deutsch sei die erste Sprache gewesen, in die Shakespeare übersetzt wurde. „Und die erste Shakespeare-Gesellschaft wurde nicht etwa in England begründet, sondern in Weimar“, sagt Charles.
„In wenigen Wochen werden wir bei der Krönungszeremonie in Westminster Abbey wieder großartige Werke von Händel hören“ – Charles ist zwar seit dem Tod seiner Mutter König, seine Krönung findet aber erst am 6. Mai statt.
William Turners faszinierende Gemälde von Landschaften am Rhein hätten die Reiselust der Briten geweckt, die der Tourismus-Pionier Thomas Cook später erfüllt habe, als er Rheinreisen organisierte. Heute stellten die Briten die größte Besuchergruppe in Berlin, die jungen Menschen bewunderten die Klubkultur der Stadt. Und während Miss Sophies „the same procedure as every year, James“ hoffentlich kein korrektes Bild des modernen Großbritanniens vermittele, gehöre es in Deutschland doch zu einem frohen neuen Jahr.
Für seine popkulturellen Verweise bekommt Charles viel Applaus. Für jeden ist etwas dabei in seiner Rede: Charles lobt die Bedeutung des Frauenfußballs für die Gleichstellung in beiden Ländern – hier nickt Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zustimmend –, dann den Bau von Offshore-Windanlagen; hier lächelt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Als Charles Hamburg erwähnt, wo er diese Technologie später noch anschauen werde, grinst selbst der kühle Hanseat Scholz.
Um 12.35 Uhr endet Charles’ Rede. Die Menschen im Plenum applaudieren noch im Stehen, als er den Saal schon wieder verlassen hat. Auch die Abgeordneten der Linkspartei sind aufgestanden.