Ceta-Abkommen : Linke scheitert vor dem Bundesverfassungsgericht
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Berichterstatter Peter Huber und die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, am 13. Oktober 2020 zu Beginn der mündlichen Verhandlung. Bild: dpa
Bevor das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada vorläufig in Kraft trat, gab der Bundestag eine Stellungnahme ab. Das war der Linksfraktion zu vage. Sie forderte mehr – zu Unrecht, wie nun das Verfassungsgericht entschied.
Die Bundestagsfraktion der Linken ist vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Klage gegen die Mitwirkung des Bundestags am vorläufigen Inkrafttreten des Ceta-Abkommens gescheitert. Die Richter wiesen das Verfahren schon aus formellen Gründen ab. Die Linke habe nicht ausführlich genug dargelegt, dass Rechte ihrer Fraktion oder des Deutschen Bundestags verletzt sein könnten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Bundestag seine Mitwirkungspflichten bei der europäischen Integration verletzt habe.
Das europäisch-kanadische Wirtschafts- und Handelsabkommen Ceta soll den Handel zwischen der EU und Kanada vorantreiben, unter anderem beseitigt es fast alle Zölle. Europäischen Unternehmen soll es außerdem ermöglichen, auch in Kanada an öffentlichen Ausschreibungen auf regionaler und kommunaler Ebene teilzunehmen.
250.000 Menschen gingen auf die Straße
Kritiker des Abkommens fürchten einen zu milden Umgang mit den Unternehmen des anderen Wirtschaftsraumes – zu Lasten von Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Sozialstandards. Es sind Sorgen, die schon während der Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP laut geworden waren, das schließlich am fehlenden Interesse Donald Trumps scheiterte. Im Herbst 2015 gingen in Berlin etwa 250.000 Menschen gegen beide Abkommen auf die Straße.
Im Herbst 2017 trat das Ceta-Abkommen vorläufig in Kraft; das ist bei internationalen Abkommen üblich, bis sie von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Es fehlen noch zahlreiche Unterschriften, auch die des Bundestages, wo man den Ausgang mehrerer Karlsruher Verfahren abwarten will.
Bevor der EU-Ministerrat dem Ceta- Abkommen im Herbst 2016 zustimmte und eine vorläufige Anwendung beschloss, gab der Bundestag „in Wahrnehmung seiner Integrationsverantwortung“ eine Stellungnahme ab. Darin forderte er die Bundesregierung unter anderem auf, das Parlament im Zusammenhang mit dem Abkommen weiterhin umfassend und frühzeitig zu informieren. Solange das Abkommen nur vorläufig angewandt werde, dürften „keinesfalls“ die Teile aktiviert werden, die nationalstaatliche Kompetenzen umfassten, hieß es in der Stellungnahme. Das gelte vor allem für den Investitionsschutz, der bis heute nicht von der vorläufigen Anwendung umfasst ist.
Der Bundestag wollte auf diese Weise sicherstellen, dass eine vorläufige Anwendung des Abkommens die parlamentarische Ratifizierung nicht unterläuft. Der Linksfraktion ging das nicht weit genug. Sie hält die Stellungnahme für zu vage. Der Bundestag habe die deutschen Ratsvertreter mit einem „Blankoscheck“ zu einer Zustimmung in Bereichen ermächtigt, die in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten fielen, also zu einem Ultra-vires-Akt. Um dies zu verhindern, hätte es, so die Linke, eines förmlichen Gesetzes bedurft.
Überschreitung bleibt Überschreitung
Ein solch „isoliertes Mandatsgesetz“ kennt das Grundgesetz allerdings nicht. Und eine Zuständigkeitsüberschreitung bleibt - falls sie denn vorliegt - eine Zuständigkeitsüberschreitung. Sie sei auch dann mit der Verfassung unvereinbar, „wenn der deutsche Vertreter im Rat in der Form eines Gesetzes ermächtigt würde“, stellen die Richter klar.
Dem Bundestag kann laut Verfassungsgericht auch nicht vorgeworfen werden, seiner Integrationsverantwortung nicht gerecht geworden zu sein. Die Verfassungsorgane entschieden grundsätzlich eigenverantwortlich darüber, wie sie diesen Schutzauftrag erfüllten; auch Stellungnahmen gehörten zum breiten Spektrum der Möglichkeiten. Das Ceta-Abkommen sei zuvor außerdem mehrmals intensiv im Parlament debattiert worden.
Um das Abkommen an sich und die Kompetenzen der EU ging es am Dienstag nicht, wie die Verfassungsrichter hervorhoben. Diese Fragen stellen sich in anderen Verfahren, über die der Zweite Senat noch zu verhandeln hat. Dessen Richter blicken traditionell streng auf die europäischen Kompetenzfragen. Zuletzt zeigte sich das etwa im Urteil zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank.