Terrorverdacht im Ruhrgebiet : Jüngerer Bruder bereits wegen versuchten Mordes verurteilt
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Auf dem Gelände der Feuerwehr in Castrop-Rauxel werden in der Nacht zu Sonntag bei der Durchsuchung gefundene Stoffe untersucht Bild: dpa
In Castrop-Rauxel sollen zwei iranische Brüder einen Biowaffenanschlag vorbereitet haben. Der jüngere der beiden war 2019 bereits wegen versuchten Mordes verurteilt worden.
Der jüngere der beiden wegen der mutmaßlichen Planung eines Giftanschlags festgenommenen Brüder ist 2019 unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Auch zum Zeitpunkt seiner Festnahme in der Nacht zum Sonntag im Ruhrgebiet war er noch nicht auf freiem Fuß: Er war nach wie vor in einer Entziehungsanstalt in Hagen untergebracht, durfte aber angesichts einer Lockerung am Wochenende teils bei Familienangehörigen übernachten. Das teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund am Montag mit. Zuvor hatte das „Westfalen-Blatt“ darüber berichtet.
Der heute 25 Jahre alte iranische Asylbewerber hatte laut der Staatsanwaltschaft im Juli 2018 nachts einen großen Ast von einer Brücke auf die Autobahn 45 geworfen. Er traf damit ein Auto, die Fahrerin wurde durch Glassplitter verletzt. Bei der Tat war er betrunken. Im Januar 2019 wurde er vom Landgericht Dortmund zu einer Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt.
Wegen seiner Suchterkrankung wurde damals angeordnet, dass er nach eineinhalb Jahren in Haft in einer Entziehungsanstalt untergebracht wird. Der Mann habe laut der Klinik zwar Fortschritte gemacht, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft am Montag. Die Staatsanwaltschaft habe aber zuletzt Ende November beantragt, dass die Unterbringung anzudauern habe. Eine solche Unterbringung muss halbjährlich überprüft werden. Laut der Staatsanwaltschaft hatte der Mann mittlerweile aber einen „Übernachtungsstatus“ - eine Lockerung, die ihm erlaubt, am Wochenende auch mal bei Angehörigen zu bleiben.
Auch bei weiteren Durchsuchungen keine Giftstoffe gefunden
Der Mann war in der Nacht zum Sonntag gemeinsam mit seinem 32-jährigen Bruder in dessen Wohnung in Castrop-Rauxel festgenommen worden. Die beiden Iraner sollen versucht haben, die Giftstoffe Cyanid und Rizin für einen islamistisch motivierten Anschlag zu besorgen. Gift wurde bei der Durchsuchung am Sonntag zunächst nicht gefunden.
Am Montag durchsuchten die Ermittler zwei Garagen im Ruhrgebiet, auf die der ältere Bruder Zugriff gehabt haben soll. Zwischenzeitlich seien umliegende Häuser evakuiert worden, um eine mögliche Gefährdung auszuschließen, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Doch seien auch dort keine Giftstoffe gefunden worden. Lediglich ein Paket habe untersucht werden müssen. „Im Ergebnis haben wir nichts Beweisrelevantes gefunden“, sagte der Sprecher.
Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Holger Heming hatten die deutschen Ermittler am Samstag einen konkreten Tipp „von der Sicherheitsbehörde eines befreundeten Staates“ bekommen. Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, handelt es sich um das FBI aus den Vereinigten Staaten. Die Anschlagspläne seien weit fortgeschritten gewesen, hieß es.
Reul kritisiert Umgang mit Informationsbeschaffung im Netz
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul kritisierte nach dem Antiterroreinsatz in Castrop-Rauxel auch das Zögern der Politik bei der Informationsbeschaffung im Netz. „Das Wichtige ist, dass man frühzeitig weiß, wer da was plant“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Er verstehe nicht, warum sich Deutschland hier so schwertue und vorhandene Möglichkeiten nicht nutze.
Dabei hätten die Bundesländer sehr unterschiedliche rechtliche Bedingungen, wie sie welche Informationen im Netz abfangen und untersuchen können. „Wir sind in Deutschland da sehr zurückhaltend“, befand der Minister. Die internationale Zusammenarbeit bei den Sicherheitsbehörden funktioniere dagegen so gut, dass sehr schnell Informationen übermittelt würden. Die Polizei habe „von einem auf den anderen Tag“ alle Vorbereitungen treffen und die jungen Männer festsetzen können.
Esken: Haben alle Extremisten im Blick
In der Nacht hatte die Polizei die Wohnung des Iraners mit einem großen Aufgebot auch von Rettungskräften durchsucht. Die Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge. Nach Medienberichten waren auch Fachleute des Robert-Koch-Instituts an Ort und Stelle.
Schon 2018 hatte ein Islamist aus Köln eine Rizin-Bombe einsetzen wollen. Der Tunesier hatte damals bereits mit Rizinus-Samen einen Kampfstoff hergestellt, bevor er mit seiner Frau festgenommen wurde. Eine Vergiftung mit Rizin kann innerhalb kurzer Zeit tödlich sein.
Der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz forderte, islamistischen Terror nicht aus dem Blick zu verlieren. „Noch einmal wird deutlich, dass wir bei allen aktuellen, sehr ernst zu nehmenden Bedrohungen aus dem Bereich des militanten, gut vernetzten Rechtsextremismus keineswegs von islamistischen Täterinnen und Tätern ausgehende Gefahren aus dem Blick verlieren und unterschätzen dürfen“, sagte er der Funke-Mediengruppe.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken wies den Vorwurf zurück, dass der Kampf gegen rechten und linken Extremismus den Blick auf mögliche islamistische Anschläge verstelle. „Auch der islamische Extremismus steht stark im Fokus der Sicherheitsbehörden“, sagte Esken in Berlin. Der Verfassungsschutz und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) würden nicht nur ein starkes Augenmerk auf die extremistischen Ränder des politischen Spektrums haben, fügte Esken hinzu.