Diskurs ist unverzichtbar : „Ein Populist ist ein Gegner der Demokratie“
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Anhänger der populistischen Pegida-Bewegung demonstrieren mit der Parole „Wir sind das Volk“. Bild: dpa
Populisten nehmen für sich in Anspruch, den wahren Willen des Volkes erkannt zu haben. Es gibt aber weder ein homogenes Volk, noch die absolute Wahrheit. Zwei Wege sind hilfreich als Rezept gegen Populismus. Ein Gastbeitrag.
Populismus ist das politische Schlagwort der Stunde. Allein in diesem Jahr sind bereits an die dreißig Bücher zu diesem Thema erschienen. Auch die Anzahl der Aufsätze und Zeitungsartikel ist längst unüberschaubar geworden. Dabei wird der Populismus nicht nur fleißig analysiert und heftig gegeißelt, er wird auch als notwendiger Weckruf begrüßt, ja gar als Jungbrunnen der partizipativen Demokratie gefeiert. Nicht jeder politischen Rhetorik, die an „Kopf und Herz“ appelliere, hafte auch gleich das Odium des Antidemokratischen und Illiberalen an. Ein durch Institutionen und rechtliche Rahmenbedingungen „gezähmter“ Populismus könne daher einen Ausweg aus der postdemokratischen Erstarrung bieten (Chantal Mouffe). Und der rechtspolitische Kolumnist der „Süddeutschen Zeitung“, Heribert Prantl, hat jüngst sogar eine provokative „Gebrauchsanweisung für Populisten“ geschrieben; für demokratische Populisten wohlgemerkt.
Sollten wir nicht vor diesem Hintergrund den Populismus-Vorwurf als politisches Kampfinstrument entsorgen und uns Ralf Dahrendorf anschließen, dem zufolge „des einen Populismus des anderen Demokratie und umgekehrt“? Ich meine: nein. Der Populist ist bei genauerer Betrachtung nicht „lediglich ein ungeschminkter Demokrat“, wie auch Botho Strauß meint, sondern ein Gegner der Demokratie. Wer die Demokratie verteidigen will, der sollte populistische Verhaltensweisen daher offen kritisieren und bekämpfen. Dafür brauchen wir aber eine konkrete Vorstellung davon, was Populismus in seinem negativen Begriffskern bedeutet und welche Gefahren von ihm ausgehen.
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Populisten besitzen keine gemeinsame politische Ausrichtung
Aus der Fülle seiner Erscheinungsformen eine überzeugende und zugleich handhabbare Definition des Populismus zu destillieren ist freilich nicht einfach. Zu leicht wird man von den schillernden Auswüchsen der konkreten Erscheinungsformen geblendet. Der Schlüssel zur Erkenntnis liegt darin, sich klarzumachen, dass es sich beim Populismus nicht um eine voll ausgebaute Ideologie im klassischen Sinne – etwa des Kommunismus oder des Liberalismus – handelt. Die Gemeinsamkeiten des Rechtspopulismus in Europa und zum Beispiel des Linkspopulismus in Venezuela treten nur dann zu Tage, wenn man die damit verbundenen konkreten politischen Forderungen für einen Moment ausblendet. Dann erkennt man, dass es sich beim Populismus um eine bestimmte Strategie zum Zwecke des Erwerbs und Erhalts von politischer Herrschaft handelt, die mit nahezu jeder beliebigen inhaltlichen Ausrichtung kombiniert werden kann. Am gesellschaftstheoretischen Substrat einer politischen Bewegung, das heißt an den konkreten politischen Zielen, kann man eine populistische von einer nichtpopulistischen Bewegung also nicht unterscheiden. Populisten besitzen keine gemeinsame politische Ausrichtung; die Ziele von Hugo Chávez und Donald Trump könnten unterschiedlicher kaum sein.
Erfolgversprechender ist es daher, nach formalen Charakteristika Ausschau zu halten, die das „ideologische Minimum“ des Populismus ausmachen. In diesem Sinne hat Jan-Werner Müller den Populismus unlängst als „Politikvorstellung“ definiert, in der „einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen – wobei diese Art von Eliten eigentlich gar nicht zum Volk gehören“. Darauf aufbauend, zeichne sich die populistische Ideologie durch einen – moralisch fundierten – Alleinvertretungsanspruch aus: Populisten nehmen für sich in Anspruch, als Einzige den (einen) wahren Willen des Volkes erkannt zu haben und deshalb auch als Einzige wirklich berechtigt zu sein, für das Volk insgesamt sprechen zu können.